»Schwarzer Marsch« nach Madrid

In Spanien halten die Proteste in den Bergbauregionen des Landes an, während die Zentralregierung in Madrid nicht zu einem Einlenken bereit ist. Die Kumpel wehren sich mit einem seit anderthalb Monaten andauernden Streik gegen eine vom Parlament mit der Mehrheit der regierenden Rechtspartei PP beschlossene Kürzung der Staatsbeihilfen um zwei Drittel, durch die sie ihre Arbeitsplätze und die gesamte spanische Bergbauindustrie gefährdet sehen.

Seit zwei Wochen befinden sich rund 150 Kumpel zu Fuß auf einem »Schwarzen Marsch« aus den Bergbauregionen nach Madrid, wo sie am kommenden Mittwoch erwartet werden. Die Generalsekretäre der beiden größten Gewerkschaftsbünde Spaniens, Cándido Méndez von der UGT und Ignacio Fernández Toxo von den CCOO, begleiteten die Demonstranten in dieser Woche einige Kilometer weit und riefen sie auf, mit erhobenem Kopf weiterzumachen. Sie würden mit der Unterstützung der Bevölkerung in den Ortschaften rechnen können, durch die sie kommen, und auch in Madrid, wenn sie tatsächlich so weit gehen müßten. Dort verweigert die von der PP gestellte Stadtregierung den Bergleuten jedes Entgegenkommen. Bürgermeisterin Ana Botella erklärte am Donnerstag, ihre Verwaltung werde den Demonstranten keine Unterkünfte zur Verfügung stellen. Solidarisch mit den Protestierenden zeigt sich hingegen die Vereinigte Linke (IU). Deren Kommunalabgeordneten im 18 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Las Rozas kündigten an, ihre kompletten Sitzungsgelder für den Monat Juni an die Bergleute zu spenden. Ursprünglich sollten damit die Unterbringungskosten der Demonstranten in der Gemeinde beglichen werden, doch da diese in einem Nachbarort unterkommen, überweisen die Linken das Geld an ein von den Gewerkschaften eingerichtetes Solidaritätskonto.

Die sozialdemokratische PSOE hat Industrieminister José Manuel Sorja aufgerufen, noch vor der Ankunft des »Schwarzen Marsches« in Madrid zu einer Lösung zu kommen. »Nur Ministerpräsident Mariano Rajoy ist der Schuldige, und nur er hat die Lösung«, sagte der Organisationssekretär der Partei, Óscar López, bei einem Besuch in Zaragoza. Die Arbeiter täten nichts anderes, als eine Erfüllung der Vereinbarungen mit der vorherigen Regierung einzufordern. Diese hatte bis Ende vergangenen Jahres die PSOE gestellt.

Mit dem »Schwarzen Marsch« greifen die Bergleute eine ähnliche Aktion auf, die erstmals 1992 bei einem Streik im damals größten privaten Bergbauunternehmen MSP durchgeführt worden war. Rund 500 Kumpel waren seinerzeit aus dem nordspanischen Villablino zu Fuß bis zum Industrieministerium im 430 Kilometer entfernten Madrid gezogen. Dort wurden sie von 15000 Demonstranten empfangen. Obwohl dieser Kampf weitgehend erfolglos blieb, ging der »Schwarze Marsch« 1992 in die Geschichte der spanischen Arbeiterbewegung ein.

Erschienen am 6. Juli 2012 in der Tageszeitung junge Welt