junge Welt, 7. Juli 2012

Deutscher Drohnenkrieg

junge Welt, 7. Juli 2012Trotz Bankenrettung und Euro-Krise hat die Bundesregierung Geld genug für Krieg und Aufrüstung. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag berichtete, will das Verteidigungsministerium für Kampfeinsätze 16 unbemannte Fluggeräte, sogenannte Drohnen, kaufen. Favorit sei dabei die US-amerikanische MQ-9 »Reaper«, berichtete die Agentur unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Sprecher des Ministeriums. Als Alternative seien israelische »Heron TP« im Gespräch. Bislang hat die Bundeswehr demnach für den Krieg in Afghanistan drei israelische Drohnen geleast. Der entsprechende Vertrag laufe im Oktober aus, solle jedoch bis 2014 verlängert werden.

Beide Drohnentypen können mit Raketen ausgerüstet werden. »Die Bewaffnung der Plattform ist Teil der Überlegungen«, bestätigte der Sprecher. Vor einem halben Jahr hatte Verteidigungsminister Thomas de Mai­zière auf die Frage, ob die neuen Bundeswehrdrohnen bewaffnet werden sollen, noch abgewiegelt: »Wenn etwas technisch möglich ist, bedeutet dies nicht automatisch, daß man diese Fähigkeit auch einsetzt.«

Parallel zu dieser Aufrüstung arbeitet die Bundeswehr im Rahmen des NATO-Programms »Alliance Ground Surveillance« (AGS) weiter an der Produktion der Spionagedrohne »Euro Hawk« (40 Meter Spannweite, 15 Tonnen schwer). Diese sollte einem Bild-Bericht vom 22. Juni zufolge seit Mai einsatzbereit sein, doch die Fertigstellung verzögert sich. In die Entwicklung habe die deutsche Armee bereits über 1,2 Milliarden Euro investiert. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, beschwerte sich in Bild über die verspätete Lieferung dieser HighTech-Waffe, die bis zu 30 Stunden in der Luft bleiben und 23000 Kilometer weit fliegen kann. Es sei »traurige Tradition bei der Bundeswehr«, daß »Großprojekte länger dauern als geplant. Ich halte das für ein fragwürdiges sicherheitspolitisches Konzept.« Demgegenüber kritisierte die Linksfraktion das AGS-Programm bereits im Mai als überflüssiges und zudem »abenteuerlich finanziertes« Prestigeprojekt. »Eine Bundesregierung, die europaweit auf Sparkurse drängt, macht sich unglaubwürdig, wenn sie hier der Rüstungsindustrie mit vollen Händen Geld hinterherwirft, statt die Reißleine zu ziehen«, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Frak­tion, Paul Schäfer.

Mit ihrem Drohnenprogramm wollen die Bundesregierung und ihre europäischen NATO-Partner offenbar in die Lage kommen, unabhängig von Washington Krieg führen zu können. »Die Bedeutung des Projekts aus Sicht der beschaffenden NATO-Staaten liegt in der Autonomie gegenüber den USA. Zukünftig soll die Fähigkeit zur Kriegsführung nicht mehr von der Bereitstellung von Informationen aus Washington abhängen«, analysiert Michael Haid von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen.

Unbemannte Flugkörper sind in den letzten Jahren zu einer bevorzugten Waffe der Militärs geworden. Vor allem die USA setzen die Drohnen zur Ermordung von »Terroristen« ein. Ende Mai hatte die New York Times berichtet, daß allein in Pakistan seit 2004 über 300 Angriffe geflogen worden seien. Allein in der Amtszeit von Barack Obama seien in Pakistan und im Jemen 2000 Menschen durch Drohnen getötet wurden, schätzt das Long War Journal. Washington hat angekündigt, nach dem »Abzug« aus Afghanistan den Einsatz der Fluggeräte auch auf Südamerika und den Pazifik­raum ausdehnen zu wollen.

Erschienen am 7. Juli 2012 in der Tageszeitung junge Welt