Rathäuser erobert

Venezuelas Sozialisten schauen wieder zufriedener in die Zukunft. Nachdem die oppositionellen Wahlerfolge in der Hauptstadt Caracas und in den Bundesstaaten Miranda, Zulia, Nueva Esparta, Táchira und Carabobo den Anhängern des Präsidenten Hugo Chávez in der Nacht zum Montag zunächst die Stimmung verhagelt hatten, wurden sie durch die bis zum Dienstag bekanntgewordenen Ergebnisse der zeitgleich abgehaltenen Kommunalwahlen weitgehend versöhnt.

Dominanz ausgebaut

Die bolivarischen Kräfte konnten ihre Dominanz auf lokaler Ebene offenbar weiter ausbauen. Den gegenwärtig vorliegenden Ergebnissen zufolge eroberte die Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) zwischen 233 und 265 von insgesamt 328 Rathäusern. Dieses wäre selbst im ungünstigsten Fall ein Zuwachs gegenüber den letzten Wahlen 2004, als die »Chavistas« 226 Bezirke gewinnen konnten. Im Jahr 2000 waren es sogar nur 114 gewesen.

»Wir haben einen großen Sieg errungen«, kommentierte Präsident Hugo Chávez diesbezüglich. Die sozialistischen Kräfte hätten 77 Prozent der Bundesstaaten und 80 Prozent der Rathäuser in den Gemeinden gewonnen, hob er hervor. Bis zu diesen Wahlen habe die Opposition sieben Bundesstaaten kontrolliert, nun seien es nur noch fünf, rechnete er vor. Dabei zählte der Präsident die zwei Bundesstaaten, die vor vier Jahren von der Opposition gewonnen wurden, und die fünf Staaten, deren Regionalregierungen sich im Laufe der Zeit nach der Wahl vom bolivarischen Prozeß losgesagt hatten, zusammen. »Wer die Revolution verrät, stirbt politisch«, sagte er mit Blick auf das Scheitern von PSUV-Abspaltungen wie der Partei »Neuer Revolutionärer Weg« (NCR). »Die sogenannten Dissidenten wurden pulverisiert«.

Die sozialistischen Kräfte konnten 18 der 24 Hauptstädte der Bundesstaaten gewinnen. Dazu gehört auch der Innenstadtbezirk Libertador von Caracas, den PSUV-Vizechef Jorge Rodríguez klar für sich entschied. Der frühere Innenminister Jesse Chacón verlor allerdings den bereits zum Bundesstaat Miranda gehörenden Bezirk Sucre deutlich gegen den Oppositionsvertreter Carlos Ocariz. Auch die übrigen drei Bezirke mit ihrer durch Mittel- und Oberschicht geprägten Einwohnerstruktur fielen wie bisher an die Opposition.

Von den hundert bevölkerungsreichsten Bezirken konnten die Sozialisten 80 gewinnen, und auch in den von der Opposition gewonnenen Bundesstaaten bleibt die PSUV auf lokaler Ebene führend. So gewannen die Anhänger des Präsidenten in Zulia 13 Rathäuser gegen sechs der Opposition, in Táchira waren es 16 gegen 13 und in Nueva Esparta, zu dem die Ferieninsel Margarita gehört, gingen sechs Bezirke an die Chavisten und fünf an die Opposition. In Miranda bleiben 15 der 20 Bezirke – und damit fast alle der nicht zur Hauptstadt Caracas gehörenden – in der Hand der Regierungsanhänger. Auch in Carabobo stellen die Bolivarianos elf Bürgermeister gegenüber zwei der Opposition.

Einspruch in Táchira

Trotzdem müsse die sozialistische Bewegung selbstkritisch analysieren, warum wichtige Staaten wie Miranda und Caracas an die Opposition fallen konnten, forderte Chávez. Er selbst räumte ein, daß die regionalen Regierungen Fehler begangen hätten, für die sie nun bestraft wurden. Auch seien die Bedingungen für die Stimmabgabe in den ärmsten Vierteln nach wie vor schwierig, während die Wahllokale in den Vierteln der Mittel- und der Oberschicht leicht zu erreichen seien und ausreichend Verkehrsmittel zur Verfügung stehen. Auch deshalb sei es so wichtig, weiter für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der ärmsten Schichten der Bevölkerung zu kämpfen, so Chávez.

Unterdessen haben die Sozialisten den Kampf um Táchira offenbar noch nicht aufgegeben. Den offiziellen Ergebnissen zufolge hatte sich hier Oppositionskandidat César Pérez Vivas mit einem knappen Vorsprung von 6500 Stimmen gegen den Kandidaten der Linken, Leonardo Salcedo, durchgesetzt. PSUV und Kommunistische Partei (PCV) haben nun dieses Ergebnis angefochten und bei den Wahlbehörden eine Neuauszählung der Stimmen beantragt. Die Entscheidung darüber liegt beim Nationalen Wahlrat in Caracas.

Erschienen am 26. November 2008 in der Tageszeitung junge Welt