Auf Kriegskurs

Das Weiße Haus in Washington am 10. August vergangenen Jahres. Im Oval Office berät das Kabinett von US-Präsident Donald Trump über weitere Sanktionen gegen Venezuela. Zu den Anwesenden gehören der damalige Außenminister Rex Tillerson sowie Sicherheitsberater Herbert »H. R.« McMaster. Als die Debatte praktisch zu Ende ist, wirft Trump eine Frage in den Raum: »Wenn die Situation in Venezuela die regionale Sicherheit bedroht, warum können dann die Vereinigten Staaten nicht in dem südamerikanischen Land einmarschieren?«

Die Anwesenden seien sprachlos gewesen, zitierte die US-amerikanische Nachrichtenagentur AP am Mittwoch (Ortszeit) einen namentlich nicht genannten »hohen Regierungsbeamten«. In den folgenden fünf Minuten hätten dann McMaster und andere Funktionäre dem Staatschef Punkt für Punkt die negativen Folgen einer Intervention erklärt. So würden die USA ihre mühsam erarbeitete Unterstützung lateinamerikanischer Regierungen verlieren, die sich nur widerwillig den Sanktionen gegen Caracas angeschlossen hätten. Trump schien nicht überzeugt zu sein und verwies auf seiner Ansicht nach erfolgreiche Beispiele der Vergangenheit: die Invasionen der USA in Grenada 1983 und in Panama 1989.

Tatsächlich neu an dem Bericht sind vor allem die Details der Gespräche im Kabinett, denn Trump selbst hatte schon im August offen mit einer Invasion in Venezuela gedroht. Am 11. August, einen Tag nach der Sitzung, von der bei AP die Rede ist, sagte der US-Präsident in seinem Golfclub Bedminster in New Jersey: »Wir haben viele Möglichkeiten, mit Venezuela umzugehen, einschließlich einer militärischen Option, wenn es nötig ist. Wir haben Truppen überall auf der Welt, an sehr weit entfernten Orten. Venezuela ist nicht sehr weit weg.«

Im September soll Trump das Thema auch am Rande der UN-Vollversammlung in New York bei einem Abendessen mit dem kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos und »drei weiteren lateinamerikanischen Verbündeten« erörtert haben, berichtete AP unter Berufung auf »hochrangige Vertreter« Bogotás. Bei den anderen Teilnehmern dürfte es sich um Brasiliens Machthaber Michel Temer, Panamas Staatschef Juan Carlos Varela und Argentiniens Vizepräsidentin Gabriela Michetti gehandelt haben. Das geht jedenfalls aus den Terminplanungen Trumps hervor, über die das US-Internetportal Panam Post am 18. September berichtete. Alle Gesprächsteilnehmer sollen Trump gegenüber ihre Ablehnung einer US-Intervention deutlich gemacht haben.

Das Weiße Haus verweigert bislang jede Stellungnahme zu dem Bericht der Nachrichtenagentur. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates habe AP jedoch gesagt, die USA würden weiter »alle Optionen« in Erwägung ziehen, »um dabei zu helfen, Venezuelas Demokratie wiederherzustellen und Stabilität zu bringen«.

Ein solches Unterfangen ist im Mai offenbar gescheitert. In der vergangenen Woche berichtete der US-Wirtschaftssender Bloomberg über einen vereitelten Putschversuch gegen Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro. Unter dem Namen »Operation Verfassung« hätten Offiziere der vier Teilstreitkräfte geplant, den Präsidentenpalast Miraflores und den wichtigsten Militärstützpunkt Fuerte Tiuna in Caracas anzugreifen, Maduro gefangenzunehmen und die Wahlen vom 20. Mai zu verhindern. Geplant worden sein soll der Putschversuch zumindest teilweise in Bogotá, und Beamte aus Kolumbien und den USA hätten davon Kenntnis gehabt, wenn sie auch eine aktive Beteiligung abgelehnt hätten. »Dann ging etwas schief«, so Bloomberg weiter. Mitte Mai seien rund 30 Offiziere wegen ihrer Beteiligung an den Umsturzplänen festgenommen und vor ein Militärgericht gestellt worden. Der US-Sender beruft sich auf Aussagen von Beteiligten sowie auf einen Untersuchungsbericht der Regierung.

Schon seit Jahresanfang hatte es immer wieder Berichte über Verschwörungen in der Armee und über Festnahmen von Offizieren gegeben. Die Regierung in Caracas äußerte sich dazu selten offiziell, nur als im März der frühere Innenminister Miguel Rodríguez Torres verhaftet wurde, gab es ein formelles Kommuniqué der Behörden.

Erschienen am 6. Juli 2018 in der Tageszeitung junge Welt