Uribe im Aufwind

Außer den Linken fühlen sich in Kolumbien nach der Parlamentswahl vom vergangenen Sonntag alle als Sieger. Staatschef Juan Manuel Santos jubelte, das Ergebnis sei »ein großer Tag« für die von seiner Sozialen Partei der Nationalen Einheit (PSUN bzw. Partido de la U) geführte Koalition. Es habe sich gezeigt, daß »die große Mehrheit der Kolumbianer den Frieden will«. Tatsächlich haben die Mitte-Rechts-Parteien PSUN, Liberale und Cambio Radical (Radikale Veränderung), die die derzeit in Havanna laufenden Verhandlungen mit der FARC-Guerilla unterstützen, zusammen ihre Mehrheit in beiden Parlamentskammern verteidigen können. Doch für die PSUN wird das Regieren schwieriger, und angesichts der am 25. Mai bevorstehenden Präsidentschaftswahl dürften bei ihr die Alarmglocken schrillen. Im Senat rutschte die Partei von 28 auf 21 Mandate ab, blieb aber immer noch stärkste Kraft. Im Gegensatz dazu mußte sie in der Abgeordnetenkammer elf Mandate abgeben und rutschte hinter den Liberalen auf den zweiten Platz.

 

Als den eigentlichen Wahlsieger wertet die Tageszeitung El Espectador den früheren Staatschef Álvaro Uribe. Dessen Partei »Demokratisches Zentrum«, die er nach seinem Bruch mit seinem langjährigen Verteidigungsminister und Amtsnachfolger Santos erst im Januar 2013 gegründet hat, schaffte es mit ihrer Agitation gegen den Friedensprozeß gleich in die Spitzengruppe der kolumbianischen Politik. Mit ihrem Slogan »Harte Hand, großes Herz« landete sie mit 19 Senatoren nur knapp hinter der PSUN auf dem zweiten Platz des Oberhauses und wird eine vom Expräsidenten geführte aggressive Oppositionsfraktion bilden. In der zweiten Kammer blieb sie mit zwölf Sitzen etwas schwächer. Vor allem aber konnte Uribes Partei mit ihrer Kampagne gegen die »Vernachlässigung der Sicherheit« und gegen den »Castro-Chavismus« in den Metropolen Bogotá und Medellín stärkste Kraft werden. Ob sich seine Partei jedoch auch bei der Präsidentschaftswahl durchsetzen kann, ist fraglich. Bislang sehen alle Umfragen den »uribistischen« Kandidaten Óscar Iván Zuluaga deutlich hinter Santos, doch der Ausgang der Parlamentswahl dürfte für ihn Rückenwind bedeuten.

Für den Kommentator des aus dem schwedischen Exil arbeitenden kolumbianischen Internetsenders Radio Café Stereo ließ sich das Ergebnis der Abstimmung ganz kurz zusammenfassen: »Dieselben werden dasselbe wie immer machen – die Rechte hat gewonnen.« Denn für die Linken hat sich die Hoffnung nicht erfüllt, aus der Auseinandersetzung zwischen Santos und Uribe als »lachende Dritte« hervorzugehen. Das Linksbündnis Alternativer Demokratischer Pol (PDA) mußte nach internen Auseinandersetzungen Stimmenverluste hinnehmen und erreichte nur noch 3,78 Prozent der Stimmen für den Senat – eine Halbierung des Anteils – und 2,89 Prozent bei der Entscheidung über die Abgeordnetenkammer. Der »Polo« hatte 2012 die Kolumbianische Kommunistische Partei ausgeschlossen, weil sie in deren Unterstützung für das außerparlamentarische Bündnis Marcha Patriótica eine »Doppelmitgliedschaft« sah. Die Kommunisten unterstützten deshalb bei dieser Wahl die Unión Patriótica (UP). Diese verpaßte zwar den Sprung ins Parlament, doch für sie war schon die Teilnahme an der Abstimmung ein wichtiger Erfolg. Sie war ursprünglich 1985 als Ergebnis eines zwischen Regierung und Guerilla ausgehandelten Waffenstillstandes als legale Linkspartei gegründet worden. Doch die UP wurde Ziel eines schmutzigen Krieges von Paramilitärs und Drogenbanden, dem Tausende Mitglieder zum Opfer fielen. Die auf diese Weise physisch fast ausgerottete Organisation löste sich zwar nie auf, wurde jedoch 2002 aus dem Parteienregister gestrichen. Erst im vergangenen Juli konnte sie eine Entscheidung des Staatsrates durchsetzen, der ihr den Status einer Partei wieder zuerkannte.

Generell hat sich die politische Landschaft Kolumbiens mit dieser Wahl weiter zersplittert. Weder bei der Entscheidung über den Senat noch bei der über die Abgeordnetenkammer kam irgendeine Kraft über 16 Prozent hinaus. Die PSUN, die Liberalen, die Konservativen und nun Uribes Partei stellen die führenden Kräfte, doch im Unterhaus sind noch weitere neun, im Oberhaus weitere vier Parteien mit jeweils mindestens einem Abgeordneten vertreten. Hinzu kommen in der Abgeordnetenkammer noch ein Vertreter der Indígenas und zwei Repräsentanten der afrokolumbianischen Bevölkerungsgruppe.

Erschienen am 11. März 2014 in der Tageszeitung junge Welt