Präsidentschaftswahl in El Salvador: Kurswechsel

Durchbricht El Salvador nun die Hegemonie der neoliberalen und reaktionären Cliquen in Zentralamerika? Durch den sich abzeichnenden, aber noch nicht offiziell bestätigten Sieg von Salvador Sánchez Cerén könnte dem kleinen Land zwischen Nicaragua, Honduras und Guatemala ein Linksruck bevorstehen. Dabei ist eigentlich am Sonntag nur die Regierungspartei in ihrer führenden Rolle bestätigt worden. Sánchez Cerén war schon in den vergangenen fünf Jahren als Vizepräsident zweithöchster Repräsentant des Landes. Doch die unter dem jetzt scheidenden Staatschef Mauricio Funes erwartete Linkswende ist weitgehend ausgeblieben. Zwar gab es wichtige Sozialprogramme und auch eine punktuelle Kooperation mit Kuba oder Venezuela, doch in erster Linie lehnte sich El Salvador an die USA an. Verstärkt wurde das Zurückweichen vor dem Druck von rechts noch durch den Putsch in Honduras, bei dem 2009 der gewählte Präsident Manuel Zelaya gestürzt wurde.

 

In dieser Situation konnte in den vergangenen Jahren der Eindruck entstehen, Sánchez Cerén sei nicht nur der Stellvertreter von Funes, sondern zugleich dessen linke Opposition. Das wurde besonders an der Haltung zu der 2004 von Hugo Chávez und Fidel Castro gegründeten Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) deutlich. Funes lehnte einen von der Parteibasis geforderten Beitritt zu diesem antiimperialistischen Bündnis, dem sich neben Venezuela und Kuba inzwischen auch Bolivien, Nicaragua, Ecuador und mehrere kleine Karibikstaaten angeschlossen haben, ab. Sánchez machte demgegenüber genau damit Wahlkampf.

Doch ein wirklicher Kurswechsel kann nur gelingen, wenn er über Symbolpolitik hinausgeht. Wie andere Länder der Region befindet sich El Salvador fest im Griff internationaler Konzerne, die etwa in der Textilindustrie vor allem Frauen zu Elendslöhnen ausbeuten. Eine souveräne Wirtschafts- und Finanzpolitik wird dadurch erschwert, daß der US-Dollar die eigentliche Landeswährung und El Salvador außerdem Mitglied der von den USA dominierten Zentralamerikanischen Freihandelszone CAFTA ist. Die Armutsrate lag 2012 nach Angaben der Weltbank bei 34,5 Prozent, immerhin etwas weniger als die 37,8 Prozent beim Amtsantritt von Funes. Erschwert wird die Lage durch eine hohe Kriminalitätsrate, vor allem durch die Zehntausende Mitglieder zählenden Banden der »Mara Salvatrucha«. Für deren Entstehen ist Washington zumindest mitverantwortlich, denn die »Mara« entstanden aus Straßengangs lateinamerikanischer Immigranten in Städten der USA, die später in ihre Geburtsländer abgeschoben wurden. Der Staatsapparat ist zudem in weiten Teilen noch immer von Seilschaften aus den Zeiten der Diktatur (1980 bis 1992) dominiert, eine strafrechtliche Verfolgung der Verbrechen von Militär und Todesschwadronen hat es bis heute nicht gegeben. Mit einem Auswechseln des Kopfes an der Spitze ist es also auch in El Salvador nicht getan. Doch der Kurswechsel kann ein erster Schritt sein.

Erschienen am 11. März 2014 in der Tageszeitung junge Welt