Richter machen Weg frei

Boliviens Präsident Evo Morales kann sich bei den Wahlen 2019 erneut um einen Verbleib im höchsten Staatsamt des südamerikanischen Landes bewerben. Das Plurinationale Verfassungsgericht (TCP) Boliviens erklärte am Dienstag (Ortszeit) eine weitere Kandidatur des Staatschefs für rechtmäßig, obwohl die Verfassung des Landes die Möglichkeiten der Wiederwahl von Präsident, Abgeordneten, Gouverneuren, Bürgermeistern und anderen Mandatsträgern einschränkt. In den vergangenen Wochen hatten Basisgruppen jedoch den Druck erhöht, damit Morales im Amt bleiben kann. Sie sehen ihn als Garanten für eine Fortsetzung des sozialistischen Kurses in Bolivien.

Im Februar 2016 hatte Morales eine Volksabstimmung knapp verloren, die durch eine Verfassungsänderung seine erneute Kandidatur ermöglichen sollte. In einem am Mittwoch verbreiteten Interview mit der Deutschen Presseagentur erklärte Morales, dass dieses Referendum 2016 unter unfairen Bedingungen stattgefunden habe. Kurz vor dem Wahltag waren Berichte aufgetaucht, er habe mit einer früheren Geliebten ein Kind. Sein Ansehen litt, er verlor am Ende knapp. Das Kind tauchte allerdings nie auf. »Am 21. Februar 2016 hat die Lüge gewonnen«, sagte Morales deshalb.

Die Richter stützten sich bei ihrer jetzigen Entscheidung auf den Verfassungsartikel 256, der festlegt, dass von Bolivien unterzeichnete internationale Menschenrechtsabkommen Vorrang vor nationalen Regelungen haben. Damit komme Artikel 23 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention zum Tragen, die eine Einschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts verbietet. Bei einer Pressekonferenz erklärte Gerichtspräsident Macario Lahor Cortez, dass sich nun alle Bürger, deren Möglichkeit zur Kandidatur eingeschränkt war, bewerben können, »denn es ist das bolivianische Volk, das wählt«.

Die rechte Opposition des Landes nannte das Urteil einen »Staatsstreich«. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, twitterte, die vom Gericht zitierte Menschenrechtskonvention »beinhaltet nicht das Recht, ewig an der Macht zu bleiben«. Dagegen begrüßte Morales die Entscheidung als Stärkung des demokratischen Systems. Das »revolutionäre und antiimperialistische Volk« werde 2019 um die nötigen Stimmen ringen, um die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen zu garantieren, die Bolivien unter seiner Präsidentschaft seit 2006 erlebt hat.

Erschienen am 30. November 2017 in der Tageszeitung junge Welt