Meinungsfreiheit auf Spanisch

Seine Partei liegt in Katalonien nur bei rund acht Prozent der Wählerstimmen, doch trotzdem führt Xavier García Albiol seit Wochen das große Wort. Der Chef des katalanischen Ablegers der Spanien regierenden Volkspartei (PP) fühlt sich bereits als Machthaber, seit sein Parteifreund, der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy, Katalonien im Oktober unter Zwangsverwaltung gestellt hat. Rajoys Stellvertreterin Soraya Sáenz de Santamaría ist seither de facto Regierungschefin Kataloniens. Sie hat sich seither allerdings erst einmal in der Region blicken lassen – am vergangenen Freitag bei einem Unternehmertreffen im Badeort S’Agaró. Den Job des Statthalters überlässt sie Albiol.

Dieser versucht sich im laufenden Wahlkampf für die am 21. Dezember stattfindenden katalanischen Parlamentswahlen als die wichtigste Stimme des prospanischen Lagers zu präsentieren, obwohl seine Partei in allen Umfragen noch hinter den rechtsliberalen »Ciutadans« und den katalanischen Sozialdemokraten der PSC liegt. Das macht er durch Aggressivität wett, unter anderem durch die Forderung nach Schließung der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Kataloniens, vor allem von deren Flaggschiff TV 3. Bei einem Wahlkampfauftritt in Cerdanyola del Vallès verlangte Albiol, ihn abzuschalten und »mit normalen Leuten wieder zu eröffnen«.

Der Betriebsrat der Beschäftigten von TV 3 reagierte auf Albiols Attacken mit der Ankündigung, seine Rechtsanwälte einzuschalten. Es bestehe der Verdacht, »dass der PP-Kandidat zum Hass gegen die Arbeiter von TV 3 anstachelt«, so die Beschäftigtenvertreter.

Am Montag kam Albiol dann auf dem von ihm gescholtenen Sender ausführlich zu Wort und verlangte, die Kriterien für die Programmgestaltung und für die Besetzung der Führung zu verändern. »Die öffentlichen Medien Kataloniens unterstützen eine Ideologie, sie sind nicht unparteiisch«, behauptete er. Es sei nicht hinnehmbar, »dass die Moderatoren eines öffentlichen Mediums sich auf die Seite einer Ideologie stellen«.

Keine Ideologie war es natürlich, als sich Albiol darüber beschwerte, dass TV 3 in einer Kindersendung von politischen Gefangenen gesprochen habe, »statt zu erklären, wo die Flüsse sind«. Obwohl die Hälfte der katalanischen Regierung, führende Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung, Gewerkschafter und andere linke Aktivisten in spanischen Gefängnissen sitzen, behauptete Albiol: »Objektiv betrachtet gibt es weder in Katalonien noch in Spanien politische Gefangene«.

Albiols Meinung ist der spanischen Wahlbehörde Befehl. Am Dienstag berichtete das Onlineportal Vilaweb, dass die Junta Electoral dem katalanischen Rundfunk offiziell verboten hat, von »politischen Gefangenen« zu sprechen. Auch dürfe der von Madrid abgesetzte Ministerpräsident Carles Puigdemont nicht länger mit seiner Amtsbezeichnung genannt werden oder seine Minister als »inhaftiert« oder »im Exil« bezeichnet werden, da dies eine unzulässige Wählerbeeinflussung sei und der »juristischen Realität« widerspreche.

Erschienen am 30. November 2017 in der Tageszeitung junge Welt