Protest der Zivilgesellschaft

Pressekonferenz an ungewöhnlichem Ort: Vertreter von Parteien, Gewerkschaften, Umweltschutzverbänden sowie der in Hamburg gegen den G-20-Gipfel protestierenden Bündnisse luden am Dienstag Medienvertreter an den Jungfernstieg in der Innenstadt ein. Unter freiem Himmel stellten sie ihren spontan verfassten Aufruf »Wir zeigen Haltung für Demokratie« vor. Die Demokratie in Hamburg sei in Gefahr, konstatierten sie in ihrem Papier, das unter anderem von der Intendantin der Kulturfabrik Kampnagel, Amelie Deuflhard, unterzeichnet ist.

Der stellvertretende Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW in Hamburg, Fredrik Dehnerdt, nannte die brutale Räumung eines Zeltlagers von Gipfelgegnern am Sonntag abend einen »erschreckenden Angriff auf die Grundrechte«. Von einem »Klima der Angst« in der Stadt sprach Dirk Seifert vom BUND, dem Bund für Umwelt und Naturschutz. Britta Eder vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) warf den Behörden einen »Angriff auf die Grundlagen der Demokratie« vor, weil diese in einer Gefahrenprognose die Tätigkeit von Juristen als Problem für eine ordnungsgemäße Durchführung des Treffens der Staatschefs genannt hätten. Sie erinnerte daran, dass das aktuell prominenteste Mitglied des RAV kein geringerer ist als Hamburgers Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).

Zum Lavieren gezwungen sahen sich während der von Polizeibeamten misstrauisch beäugten Pressekonferenz die Vertreterinnen der Jugendverbände der in Hamburg regierenden Parteien. Annika Klose, Berliner Landesvorsitzende der Jusos, rief die politisch Verantwortlichen in der Hansestadt auf, sich auf die »ursozialdemokratischen Werte« zu besinnen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Protest in Sicht- und Hörweite von Treffen wie dem G-20-Gipfel müsse großzügig ausgelegt werden, forderte sie. Das Verbot des Übernachtens in den Protestcamps sei in jedem Fall unverhältnismäßig.

Die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Jamila Schäfer, erklärte sich solidarisch mit allen, die friedlich gegen die Politik der G 20 protestieren wollten. Es könne nicht sein, dass die Hansestadt zwar Platz für autoritäre Herrscher habe, dem legitimen Protest gegen diese jedoch keine Wiese zur Verfügung stellen wolle. Auf jW-Nachfrage, was sie von den Vertretern der Grünen im Hamburger Senat fordere, verwies sie auf Statements der Bürgerschaftsfraktion.

Der Schauspieler Rolf Becker kritisierte, es sei bitter, dass außer dem GEW-Vize der Stadt keine Gewerkschaftsvertreter ihre Stimme gegen die Repression erhoben hätten: »Wo ist die IG Metall, wo ist die Gewerkschaft der Polizei, wo ist Verdi?« Es sei deren Aufgabe, den Protest durch Präsenz und öffentliches Verhalten zu schützen und sich gegen Versammlungsverbote zu engagieren, so Becker.

Während die Vertreter der Zivilgesellschaft ihre Statements abgaben, zeigte die Staatsmacht, worauf sich die Hansestadt in den kommenden Tagen einzustellen hat. Wiederholt überflogen Transporthubschrauber die Versammlung, über die Alster dröhnte ein ganzer Helikopterverband. Ein Umdenken der Behörden in Sachen Demoverbote ist derweil nicht in Sicht. Gegen ein für Dienstag nachmittag im Volkspark Altona vom Fernsehkoch Ole Plogstedt angemeldetes »Sleep-In« unter dem Motto »Schlafen gegen Schlafverbote« verhängte die Versammlungsbehörde erneut schikanöse Auflagen. Es dürfe nur ein einziges Zelt aufgestellt werden, verfügte sie.

Als Hilfspolizei hatte sich in Altona bereits am Montag eine Gruppe von zehn bis 15 »Antideutschen« geriert. Wie der Sprecher des »Internationalistischen Blocks« informierte, hatten sie von der antiimperialistischen Initiative verlangt, ihr Zelt im Protestcamp im Volkspark Altona abzubauen. Sonst werde man das mit Gewalt tun.

Erschienen am 5. Juli 2017 in der Tageszeitung junge Welt