junge Welt, 4. April 2013

Placebo für Pazifisten

junge Welt, 4. April 2013Als »historischen Erfolg« hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Mittwoch das am Vorabend von der UN-Vollversammlung in New York verabschiedete Abkommen über den Waffenhandel (ATT) gefeiert, und auch die Kollegen von Oxfam lobten: »Mit der Abstimmung machen die Vereinten Nationen die Regulierung des Waffenhandels erstmals in der Geschichte verbindlich.« Der Vizechef der Linkspartei, Jan van Aken, mochte ebenfalls nicht auf das Wort »historisch« verzichten, gab sich ansonsten aber zurückhaltender: »Der Beschluß der UNO ist ein erster, wenn auch kleiner Schritt.« Es stehe aber zu befürchten, daß sich »in der realen Welt zunächst nur wenig ändern« werde.

 

Mit 154 gegen drei Stimmen bei 23 Enthaltungen hatten die Vereinten Nationen am Dienstag erstmals in ihrer Geschichte einen Text verabschiedet, mit dem der weltweiten Waffenhandel reguliert werden soll. Dem Abkommen zufolge sollen die Mitgliedsstaaten künftig keine Waffen mehr an Staaten verkaufen, die die Menschenrechte verletzen. Ende März war die Annahme des Abkommens bei einer dazu einberufenen UN-Konferenz, bei der Einstimmigkeit notwendig gewesen wäre, am Veto Nordkoreas, Syriens und des Iran gescheitert. Daraufhin brachten Kenia und rund ein Dutzend weitere Länder den Text in der Vollversammlung ein, bei der die einfache Mehrheit der Stimmen ausreicht. Das Abkommen tritt nun in Kraft, sobald 50 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen es ratifiziert haben.

Zu den Staaten, die sich bei der Abstimmung enthielten, gehörten unter anderem China, Rußland und die in der Bolivarischen Allianz ALBA zusammengeschlossenen Länder Lateinamerikas, darunter Venezuela, Kuba, Bolivien, Nicaragua und Ecuador. Havannas UN-Botschafter Rodolfo Reyes kritisierte in New York, daß auf der Abstimmung bestanden worden sei, statt einen tatsächlichen Konsens herzustellen. Der Text weise zahlreiche »Mehrdeutigkeiten, Unstimmigkeiten und Gesetzeslücken« auf, kritisierte der Diplomat. Hauptgrund dafür, daß sein Land dem Vertrag nicht zustimmen könne, sei jedoch, daß der Text die waffenexportierenden Staaten gegenüber den übrigen Ländern bevorteile. Vor allem kritisierte Reyes, daß auf Druck westlicher Staaten ein ursprünglich vorgesehenes Verbot von Waffenlieferungen an Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen gestrichen wurde. Diese nichtstaatlichen Akteure seien jedoch die Hauptverantwortlichen für illegalen Waffenschmuggel und -handel und alle damit verbundenen Übel.

Ähnlich begründete der Vertreter Syriens die Ablehnung des Dokuments durch seine Regierung. Es verbiete nicht die Ausrüstung von »nichtstaatlichen Terroristen«, kritisierte er mit Blick auf die Bewaffnung der Aufständischen in seinem Land durch mehrere arabische Staaten. Teheran bemängelte, daß Waffen an »ausländische Besatzungsmächte« verkauft werden dürften, während der Botschafter Nordkoreas es als nicht hinnehmbar bezeichnete, daß dem Papier zufolge die Rüstungsexporteure die Menschenrechtslage in den importierenden Ländern beurteilen sollen. Mit Blick auf die angespannte Lage auf der koreanischen Halbinsel kritisierte ein weiterer Diplomat der DVRK am Mittwoch gegenüber junge Welt zudem, daß mehrere westliche Staaten, unter ihnen Deutschland, zwar vom Frieden sprächen, durch ihre Waffenlieferungen an Südkorea die Lage in der Region jedoch destabilisiert und zu der jetzigen Zuspitzung beigetragen hätten.

Erschienen am 4. April 2013 in der Tageszeitung junge Welt