Kopierte Kampagne

Einen Monat nach dem Tod des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez prägt dieser weiter die Politik seines Landes. Das Bild des am 5. März verstorbenen Comandante ist im Wahlkampf überall präsent – nicht nur in der Kampagne von Nicolás Maduro, dem geschäftsführenden Staatschef und Kandidaten des Regierungslagers, sondern auch in der von Henrique Capriles Radonski. Am Mittwoch trat Maduros Widersacher bei einer Veranstaltung auf, die von einer Gruppe »Bolivarianos und Revolutionäre für Capriles« organisiert worden war. Dekoriert war der Versammlungssaal mit einer Kopie des Logos, das die venezolanische Regierung 2010 als Symbol für die Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes publiziert hatte (siehe Foto). Es zeigt die Form des südamerikanischen Kontinents, die in ein stilisiertes Bild des Nationalhelden Simón Bolívar hoch zu Roß und mit gezücktem Schwert übergeht. Als Sprecher der Gruppe trat ein Henry Faceto auf, der sich als »Mitbegründer« der 1997 von Hugo Chávez ins Leben gerufenen »Bewegung Fünfte Republik« (MVR) bezeichnete. »Comandante, ich habe auf Ihrer Seite gestanden, aber diese Zeit ist vorbei«, erklärte Faceto, wetterte zugleich jedoch gegen »14 Jahre Faulheit« der bisherigen Regierung.

 

Nichts Neues

Seit der Gründung der damaligen MVR, die inzwischen in der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) aufgegangen ist, haben manche zeitweiligen Unterstützer die Seiten gewechselt, oft, weil sich ihre Karriere­hoffnungen unter Chávez nicht erfüllt haben. Erklärungen solcher Leute zur Unterstützung von Regierungsgegnern hatte es auch schon früher gegeben. So traten im vergangenen August ehemalige MVR-Mitglieder bei einer Veranstaltung auf, um im Vorfeld der Wahl vom Oktober 2012 für Capriles zu werben. Im Gegensatz zu damals beehrte Capriles diesmal seine »linken« Unterstützer durch persönliche Anwesenheit und eine Rede – in der er seine Zuhörer dadurch überraschte, daß er sich plötzlich als »Sozialist« outete: »Der echte Sozialismus unterscheidet nicht zwischen den einen und den anderen, denn wir alle sind in diesem schönen Land mit denselben Rechten auf ein besseres Leben geboren worden.«

Mit Chávez gegen Maduro

Das war der bisherige Höhepunkt von Capriles’ Versuchen, durch das Übernehmen von Slogans der bolivarischen Bewegung Stimmen unter Anhängern von Hugo Chávez zu gewinnen. So tauchten im Internet Fotomontagen auf, die den verstorbenen Präsidenten mit Fähnchen der Opposition zeigen, einzelne rotgekleidete Leute nehmen mit Chávez-Plakaten an Wahlkampfkundgebungen von Capriles teil. Dieser zitiert in seinen Reden auffällig oft Worte des verstorbenen Präsidenten – ohne diesen allerdings zu nennen: »Wir sind die Söhne Bolívars«, »dies ist die Stunde des Volkes«, »Venezuela sind wir alle« … Sein Wahlkampfstab nennt sich »Comando Simón Bolívar«. Von Regierungsseite wurde in dem Zusammenhang daran erinnert, daß die Putschisten während des Staatsstreichs vom 11. April 2002, als Chávez für zwei Tage abgesetzt und gefangengenommen worden war, das im Präsidentenpalast Miraflores zu sehende Gemälde Bolívars abgehängt worden war. Die Putschisten hatten es in einer Rumpelkammer verstaut.

Erfolgreich scheint die Oppositionsstrategie aus dem Kopierer jedoch nicht zu sein. Alle bekannten Meinungsforschungsinstitute sehen Nicolás Maduro klar an erster Stelle. Sein Vorsprung wird von den Analysten mit zehn bis 22 Prozentpunkten angegeben, wobei die untere Marke von dem regierungsnahen Institut GIS-XXI publiziert wurde. Als Hoffnungsschimmer für die Opposition reichte deshalb schon eine diese Woche publizierte Befragung des bislang kaum bekannten Unternehmens DatinCorp, das dem Favoriten »nur noch« einen Vorsprung von acht Punkten bescheinigt. »Zwei Wochen vor den Wahlen rutscht Maduro in den Umfragen ab«, jubelte die rechte spanische Tageszeitung ABC.

Erschienen am 5. April 2013 in der Tageszeitung junge Welt