Hokuspokus im Sommerloch: FDP zaubert den Sonntag weg

Die Dinge sind in Unordnung geraten. Lange lebte der „Exportweltmeister“ Deutschland gut davon, benötigte Rohstoffe zu importieren und zu verbrauchen, ohne sich über deren Herkunft allzu viele Gedanken machen zu müssen. Doch die Folgen der Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Sanktionen des Westens gegen Russland, die Klimakatastrophe und so manches mehr haben dazu geführt, dass Lieferketten unterbrochen, Waren knapp werden. Die Preise explodieren, die Regierung ruft zum Energiesparen auf. Die Menschen machen sich Sorgen, wie sie über den Winter kommen.

Wenn die Menschen immer mehr Geld für Strom und Wärme bezahlen müssen und zugleich die Preise für Lebensmittel weiter in die Höhe schießen, ist klar, dass jeder Euro zweimal umgedreht wird. Auf nicht unbedingt notwendige Einkäufe wird dann verzichtet, und der Einzelhandel bekommt das bereits jetzt zu spüren. Der HDE, der Arbeitgeberverband des Einzelhandels, spricht schon bedrohlich von einem „Konsumeinbruch“, weil die Kundinnen und Kunden im Lebensmittelhandel vermehrt zu günstiger Discount-Ware greifen, aber auch den Kauf von Kleidung oder größere Anschaffungen wie Möbel, Elektrogeräte usw. zurückstellen.

Geld ausgeben, dass die Bürger nicht haben

Als Reaktion darauf ist man bei der FDP in der Mottenkiste fündig geworden. Der wirtschaftspolitische Sprecher ihrer Bundestagsfraktion, Reinhard Houben, sagte unlängst dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“, dass dem stationären Einzelhandel „kurzfristig durch mehr verkaufsoffene Sonntage geholfen“ wäre.

Vielleicht ist Herr Houben nebenberuflich Zauberkünstler. Dann könnte er uns vorführen, wie man einen Euro zweimal ausgibt. Hokuspokus und dreimal offener Laden! Wenn die Kundin schon kein Geld für Brot hat, soll sie doch was anderes kaufen — und  zwar am Sonntag.

Einmal Nachhilfe gefällig? Wenn kein Geld da ist, kann man nichts kaufen. Und wer nichts kaufen kann, geht nicht einkaufen. Das Einmaleins der Volkswirtschaft! Will heissen: man geht nicht am Mittwoch um 8 Uhr, nicht am Donnerstag um 22 Uhr und auch nicht am Sonntagnachmittag um 15.00 Uhr —   egal, ob der Laden auf hat oder zu.

Aber das ficht den Herrn Houben nicht an. Der verkaufsoffene Sonntag ist sein Steckenpferd. Schon am 3. März vergangenen Jahres, als 1700 Jahre freier Sonntag gefeiert wurde, verlangte er dessen Abschaffung. Das „Arbeitsverbot an Sonntagen“ sei „Ausdruck einer Lebensrealität, die so nicht mehr existiert“, beahuptet er. Vor nicht allzu langer Zeit waren Kinderabeit und 16-Stunden Tage ohne Urlaub, fehlende soziale Absicherung wie Kranken- und Rentenversicherung auch in Deutschland noch Realität. Hat es der Markt “gerichtet”, dass diese menschenfeindlichen Zustände der Vergangenheit angehören?  Heute kommen die Neoliberalen in der Krise wieder mit Uralt-Forderungen daher — die Verkäuferin/der Verkäufer und ihre Familien haben auf die Abschaffung der Frei- und Familienzeit nur gewartet!

Sparen wir Energie – der Sonntag bleibt frei!

Unter den Beschäftigten wird in eine ganz andere, nachhaltigere und fortschrittliche Idee diskutiert: Wenn wir Energie sparen wollen, dann sparen wir uns doch die extrem langen Öffnungszeiten — schließen wir die Geschäfte doch nicht erst um 22 oder 23 Uhr, sondern wie früher schon zum Beispiel um 18.30 Uhr. Dann könnte die grelle Leuchtreklame abgeschaltet, die Klimaanlage runtergedreht, die Heizung abgestellt, das Licht ausgeknipst werden. Das wäre eine echte Entlastung für Unternehmen und Beschäftigte.

Erschienen am 19. August 2022 auf der Homepage der Allianz für den freien Sonntag