Asyl für Mauricio Funes

El Salvadors früherer Präsident Mauricio Funes, der wie sein Nachfolger Salvador Sánchez Cerén der ehemaligen Guerillaorganisation FMLN (Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí) angehört, hat in der vergangenen Woche in Nicaragua politisches Asyl beantragt und erhalten. Wie der amtliche Anzeiger der Regierung in Managua mitteilte, habe Funes geltend gemacht, dass sein Leben und das seiner engsten Familienangehörigen in unmittelbarer Gefahr seien, weil er für Demokratie, Frieden, Gerechtigkeit und die Menschenrechte gekämpft habe.

Verfolgt fühlt sich Funes, der zwischen 2009 und 2014 amtierte, nicht durch die heutige Regierung seines Landes, sondern durch eine Kampagne der rechten Opposition und von Teilen des Justizapparates. Die Generalstaatsanwaltschaft El Salvadors ermittelt gegen den Expräsidenten wegen des Vorwurfs unrechtmäßiger Bereicherung. Der Beschuldigte sieht sich dagegen als Opfer eines Rachefeldzugs der Oligarchie. In seiner Amtszeit habe die von der FMLN geführte Administration die Kontrolle des Staatsapparates durch Großkonzerne und reiche Familien beendet. Zudem habe das von ihm geführte Kabinett 152 Fälle von Korruption während der vorhergehenden Regierungen zur Anzeige gebracht. »Das haben sie mir bis heute nicht verziehen«, erklärte Funes im Gespräch mit dem nicaraguanischen Fernsehsender Canal 4.

Die Justiz hat auf die Klagen der Regierung, von denen unter anderem führende Politiker der Rechtspartei Arena (Nationalistische Republikanische Allianz) betroffen sind, kaum reagiert. Auch andere Expräsidenten, gegen die Ermittlungen laufen, werden mit Samthandschuhen angefasst. Funes drohte dagegen nach Angaben von Repräsentanten der FMLN die Verhaftung. Es gab Razzien in seinem Wohnhaus und bei befreundeten Geschäftsleuten. Der offiziell erhobene Vorwurf lautet, dass Funes die Herkunft von rund 700.000 US-Dollar nicht habe nachweisen können, um die sich sein Vermögen während seiner Amtszeit erhöht haben soll. Der Beschuldigte weist das zurück. Man habe seine Einkünfte während und nach seiner Regierungszeit zusammengerechnet und ihm zudem das Recht verweigert, sich zu verteidigen. »Im Kern ist das politische Verfolgung, bei der die Rechte die Institutionen des Staates nutzt, um meinen staatsbürgerlichen Tod und wenn möglich auch meine physische Vernichtung zu provozieren«, so Funes in dem Interview mit Canal 4.

Während sich El Salvadors Regierung offiziell auf die Position zurückzieht, dass sie die Entscheidung des Expräsidenten nicht zu beurteilen habe, bekommt er von der FMLN Unterstützung. Der Generalsekretär der Linkspartei, Medardo González, lobte die »mutige Haltung«, die Funes gegenüber der Oligarchie eingenommen habe: »Er kämpfte direkt, nicht nur in der Theorie, sondern ganz praktisch«. González zeigte sich überzeugt davon, dass Funes bereit sei, vor Gericht seine Unschuld zu beweisen, wenn die Justiz ein angemessenes Verfahren garantiere. Zugleich vermied er offene Kritik an der Anklagebehörde. Die Generalstaatsanwaltschaft müsse ihre Arbeit machen, betonte der Politiker.

Andere Mitglieder der FMLN sind nicht so zurückhaltend. Die Fraktionsvorsitzende Norma Guevara hatte schon im Juli vor einer »Diktatur der Justiz« gewarnt, weil der Oberste Gerichtshof, die Generalstaatsanwaltschaft und andere Instanzen gezielt die Regierungspolitik blockierten, um eine eigene Agenda durchzusetzen. In Südamerika beobachtet man die Vorgänge zudem vor dem Hintergrund der »weichen Staatsstreiche« wie zuletzt dem Sturz der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff. »Nun ist El Salvador an der Reihe«, kommentierte die in Uruguay erscheinende Zeitung República. »Es ist das Muster, das in den USA entworfen wurde und nach dem bereits mehrere Präsidenten gestürzt wurden.«

Erschienen am 13. September 2016 in der Tageszeitung junge Welt