10,5 Prozent mehr

ver.di hat einen Tarifabschluss für die Beschäftigten in der deutschen Seeschifffahrt erreicht

Nach komplizierten Verhandlungen konnte am 13. November ein Tarifabschluss für die deutsche Seeschifffahrt erreicht werden. Die Heuern der Seeleute steigen rückwirkend zum 1. Oktober 2023 um 6,5 Prozent, eine weitere Erhöhung um 4,0 Prozent gibt es zum 1. Oktober 2024.

Ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth sprach von einem „ordentlichen Kompromiss“. Man habe weitere Reallohnverluste abwehren können, die mit dem ursprünglichen Angebot der Reeder verbunden gewesen wären – und: „Der Abschluss ist der höchste in der Seeschifffahrt seit vielen Jahren.“

Der HTV-See hat eine Laufzeit von 27 Monaten und endet zum 31. Dezember 2025. Die Bundestarifkommission schätzte ein, dass höhere Einkommenssteigerungen auf dem Verhandlungsweg diesmal nicht zu erreichen waren. Für einen Arbeitskampf in den beteiligten Unternehmen seien trotz positiver Entwicklungen in den vergangenen Wochen und Monaten der Organisationsgrad und die Aktionsbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen insgesamt jedoch noch nicht ausreichend gewesen. Hinzu kam, dass die Zeit aktuell nicht für die Beschäftigten läuft – angesichts von einbrechenden Frachtraten und zunehmen den Krisenzeichen ist von Seiten der Reeder mit verhärteten Fronten zu rechnen.

Das zeigte sich bereits beim Thema Inflationsausgleichsprämie. Die Reeder verweigerten eine Festlegung, dass in allen Unternehmen, die dies noch nicht getan haben, die steuerfreie Einmalzahlung in der bis zum 31. Dezember 2024 möglichen Gesamthöhe von 3000 Euro auszuschütten seien. Man wollte sich lediglich auf Teilbeträge einlassen, dafür aber eine niedrigere prozentuale Heuererhöhung durchsetzen. Das hat die Tarifkommission abgelehnt. Maya Schwiegershausen Güth bedauert dies: „Leider haben die Arbeitgeber die Chance verstreichen lassen, mit dem verbindlichen Festschreiben der Inflationsausgleichsprämie in voller Höhe der herausragenden Leistung der Seeleute und der Härte ihres Jobs Anerkennung zu zollen. Hier werden wir jetzt auf betrieblicher Ebene auf ein Nachsteuern drängen.“ Denn natürlich verbietet der Tarifabschluss es den Unternehmen nicht, die noch nicht geflossenen Gelder auszuzahlen. Der Kampf um höhere Einkommen ist also auch mit der Unterzeichnung des HTV See nicht abgeschlossen.

In anderen Einzelpunkten gab es erfreuliche Einigungen. Durch eine Öffnungsklausel wird eine Einkommensumwandlung zur Finanzierung von Jobrad-Angeboten ermöglicht. Diese Forderung war in den vergangenen Monaten von Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Unternehmen erhoben worden. Bislang hatte es eine solche Regelung nur für die Landbeschäftigten gegeben, was als Ungleichbehandlung empfunden wurde. Eine deutlich höhere Anhebung gibt es für die untersten Einkommensgruppen, die nominell noch unter dem gesetzlichen Mindestlohn lagen. Die Reeder versicherten zwar, dass sie sich an die rechtlichen Vorgaben gehalten hätten und allen Beschäftigten mindestens den vorgeschriebenen Stundenlohn zahlten, durch den Abschluss konnte dies aber nun auch in den Tabellen festgehalten werden. Für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen kann das zum Beispiel Folgen bei künftigen Heuererhöhungen haben.

Verbindlich festgeschrieben wurde zudem, dass die Betriebsparteien bei Fairplay einen Offshore-Zuschlag für Schleppereinsätze aushandeln. Eine solche Zulage ist angesichts des boomenden Offshore-Marktes – Stichwort: Windkraftanlagen vor der Küste – ein wichtiger Beitrag dafür, dass auch die Beschäftigten ihren Anteil an den Umsätzen der Unternehmen abbekommen. Da Fairplay momentan das einzige in diesem Bereich aktive Schlepperunternehmen in der Tarifgemeinschaft der Reeder ist, kommt ihm eine Vorreiterrolle zu.

Erschienen im Dezember 2023 in der Waterfront Nr. 2/2023