Inquisition in Den Haag

Venezuelas Regierung hat empört auf die Ankündigung der Anklagebehörde beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag reagiert, Voruntersuchungen gegen das südamerikanische Land aufzunehmen. Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte am Donnerstag mitgeteilt, es würden Ermittlungen gegen Caracas und Manila eingeleitet. Im Falle der Philippinen gehe es um Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem von der dortigen Regierung ausgerufenen »Antidrogenkrieg«. Venezuela stehe im Blickpunkt, weil die Sicherheitskräfte im vorigen Jahr »häufig exzessive Gewalt« angewendet hätten, um Demonstrationen aufzulösen.

Der IStGH sei zuständig, wenn es in Ländern zu Fällen von »Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen« gekommen sei, so die Anklagebehörde in ihrer Mitteilung. Venezuela mit solchen Vorwürfen in Verbindung zu bringen, ist absurd.

Entsprechend wies das Außenministerium in Caracas das Kommuniqué aus Den Haag offiziell zurück. Venezuela sei ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat, der den Menschenrechten eine vorrangige Stellung einräume, heißt es in dem Kommuniqué. Das Land sei von April bis Juli 2017 Opfer von »Verletzungen der öffentlichen Ordnung« geworden, die von extremistischen und antidemokratischen Teilen der Opposition organisiert und finanziert worden seien, um die gewählte Regierung zu stürzen. Man sei zudem überrascht, dass die Anklagebehörde in Den Haag die Regierung in Caracas nicht offiziell über die Vorermittlungen in Kenntnis gesetzt, sondern »die unbegründeten Vorwürfe« per Pressemitteilung verbreitet habe. Dadurch seien die international vereinbarten Verfahrensregeln verletzt worden.

Trotzdem sei Venezuela dazu bereit, den IStGH bei der Aufklärung der in dem Kommuniqué genannten Vorwürfe in vollem Umfang zu unterstützen. Zugleich bekräftige man jedoch, dass Den Haag in diesem Fall nicht zuständig sei, denn nach dem Römischen Statut von 1998, das die Arbeit des Strafgerichtshofs regelt, sei dieser eine »Ergänzung« zur nationalen Justiz der Mitgliedsländer und werde nur dann aktiv, wenn der jeweilige Staat sich weigere, eine Situation zu untersuchen oder juristisch aufzuarbeiten. »Das ist in Venezuela nicht der Fall.« Deshalb seien »einige internationale Juristen« der Ansicht, dass das Büro der Chefanklägerin seine Macht missbrauche und einen »Prozess im Stil der Inquisition« anstrebe.

Erschienen am 10. Februar 2018 in der Tageszeitung junge Welt