Gesucht: Ein Herausforderer

Die Präsidentschaftswahlen in Venezuela finden am 22. April statt. Dieses Datum verkündete die Chefin des Nationalen Wahlrats (CNE) am Mittwoch (Ortszeit) in Caracas. Regulär hätte die Abstimmung erst Ende 2018 angestanden, doch ein Vorziehen des Termins galt seit Wochen als ausgemachte Sache.

Am 23. Januar hatte die Verfassunggebende Versammlung beschlossen, dass die Wahlen bis spätestens zum 30. April durchgeführt werden sollen. Das Regierungslager um die Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) will auf diese Weise die derzeitige Schwäche und Zersplitterung der Opposition nutzen, um die eigenen Siegeschancen trotz der anhaltenden Wirtschaftskrise zu erhöhen. Unter den bekannten Kräften des rechten Lagers zeichnet sich bislang kein Herausforderer ab, auf den sich alle Parteien einigen könnten und der Chancen hätte, Amtsinhaber Nicolás Maduro zu besiegen. Den bekanntesten Regierungsgegnern Leopoldo López und Henrique Capriles Radonski ist nach Gerichtsurteilen eine Kandidatur untersagt. Zudem wird die Allianz der Rechten nicht unter ihrem Label MUD (Tisch der demokratischen Einheit) antreten können, nachdem der Oberste Gerichtshof ihr eine Zulassung untersagt hatte. Die Richter begründeten das damit, dass die MUD ein Zusammenschluss mehrerer anderer Parteien ist und damit das gesetzliche Verbot von Doppelmitgliedschaften verletzt werde.

In dieser Situation wird in regierungskritischen Medien des Landes der Name Lorenzo Mendoza gehandelt. Der Dollarmilliardär ist Eigentümer des Lebensmittelkonzerns Polar und hat sich bisher aus dem Parteiengezänk herausgehalten, während er keinen Hehl aus seiner Ablehnung des Regierungskurses machte. Unter den Anhängern der Opposition wäre er einer Umfrage der Tageszeitung Tal Cual zufolge der Favorit. Offiziell hat sich Mendoza bislang aber nicht geäußert, ob er seinen Hut in den Ring werfen will.

Das Meinungsforschungsinstitut Hinterlaces sieht jedoch auch bei einer Kandidatur Mendozas den Amtsinhaber vorn. Maduro komme derzeit auf 33 Prozent Zustimmung und liege damit zehn Punkte vor dem Unternehmer, erklärte der Chef des Instituts, Oscar Schémel, am Dienstag in einem Interview mit dem Fernsehsender Globovisión. Laut derselben Studie machten 53 Prozent der Befragten Maduros Wirtschaftspolitik für die Krise verantwortlich, sogar 74 Prozent sahen Venezuela »auf einem schlechten Weg«.

Maduro war am Wochenende bei einem Kongress seiner PSUV offiziell als Präsidentschaftskandidat aufgestellt worden. Anschließend erklärten auch drei kleinere Parteien – MEP, Podemos und UPV – ihre Unterstützung für Maduro, ebenso die neugegründete Bewegung »Wir sind Venezuela«. Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) will auf einer am heutigen Freitag in Caracas beginnenden Nationalkonferenz entscheiden, ob sie erneut zur Wahl des Präsidenten aufruft oder mit einem eigenen Kandidaten in das Rennen geht. Die Kommunisten hatten Maduros Kurs zuletzt scharf kritisiert. In einer am 30. Januar verabschiedeten »Politischen Resolution« stellte das Zentralkomitee der PCV fest, dass die Regierung »trotz vieler Ankündigungen und wiederholter Versprechen« keinen »revolutionären Ausweg aus der Krise des venezolanischen Kapitalismus« aufgezeigt habe. Man habe sich darauf beschränkt, die Probleme zu verwalten, ohne die Herrschaft des Kapitals anzutasten.

Erschienen am 9. Februar 2018 in der Tageszeitung junge Welt