Grenzgänger des Tages: dpa

Anfrage an Radio Eriwan: Sind am Dienstag (Ortszeit) Tausende Venezolaner »über die Grenze nach Kolumbien« gestürmt? Antwort: Im Prinzip ja, nur war es genau umgekehrt.

Die Deutsche Presseagentur hatte gemeldet, Tausende Venezolaner hätten im Westen des Landes »die Grenzkontrollen überwunden und sind über eine Fußgängerbrücke ins Nachbarland Kolumbien geströmt«. Das qualitativ hochwertigste aller qualitativ hochwertigen Qualitätsmedien berief sich gleich auf drei Quellen: die kolumbianische El Tiempo und die venezolanischen Oppositionsblätter El Nacional und El Universal. Blöd nur, dass man sich bei der dpa offenbar nicht die Mühe gemacht hat, die Artikel wirklich zu lesen. Denn in allen drei ist die Rede davon, dass die Menschen nicht von Venezuela nach Kolumbien, sondern von Kolumbien nach Venezuela wollten.

Seit dem 23. Februar sind die offiziellen Übergänge zwischen beiden Ländern geschlossen, nachdem die rechte Opposition Venezuelas mit Unterstützung der USA und der kolumbianischen Regierung versucht hatte, die Grenze zu überwinden. Da machte Caracas lieber dicht.

In normalen Zeiten überqueren sonst jeden Tag Zehntausende die Brücken über den Grenzfluss Río Táchira. Viele Venezolaner kaufen im kolumbianischen Cúcuta ein. In den letzten Wochen nutzten viele nun Trampelpfade über die grüne Grenze, Ortskundige verdienten sich ein Näschen, um die Leute hin- und herzubringen. Doch in den letzten Tagen hat es geregnet – und damit ist das Wasser im Río Táchira so gestiegen, dass die »Trochas« versperrt sind. Manche Einkäufer sind somit in Cúcuta gestrandet und haben nun also versucht, doch über die Brücken nach Hause zu kommen.

Aber das passt halt nicht in das hierzulande so eifrig gepflegte Bild von einer Massenflucht aus Venezuela nach Kolumbien.

Erschienen am 4. April 2019 in der Tageszeitung junge Welt