Es geht auch ohne

Die Szenerie erinnerte an ein Meisterschaftsfinale: Am Anfang erklangen die Nationalhymnen, am Ende gab es einen Pokal für die Siegermannschaft. Doch im Fußballstadion von Girona standen sich am Montag abend nicht die üblichen Kandidaten für internationale Endspiele gegenüber. Aufgelaufen war die Nationalmannschaft Venezuelas, die aufgrund ihrer weinroten Trikots auch »Vinotinto« genannt wird. Obwohl sie am vergangenen Freitag die Argentinier bei einem Freundschaftsspiel in Madrid überraschend mit 3:1 besiegt hatte, gehört sie doch zu den Fußballzwergen. Bislang hat sich Venezuela noch nie für eine Fußballweltmeisterschaft qualifizieren können, auch wenn die Ergebnisse der vergangenen Jahre einen gewissen Aufwärtstrend zeigten. In der FIFA-Weltrangliste liegt die Vinotinto auf Platz 32.

Die Gegner der Venezolaner wären mit diesem Platz fürs erste zufrieden, denn sie tauchen in der Liste gar nicht auf. Kataloniens Auswahl ist von der FIFA nicht als Nationalmannschaft anerkannt, trotzdem treten die Kicker seit Jahrzehnten regelmäßig gegen andere Länder an. Als erste Begegnung notiert Wikipedia ein Spiel gegen Frankreich im Jahr 1912, das 0:7 verlorenging. Ab 2009 spielte man regelmäßig die »Internationale Katalonien-Trophäe« aus – zwisch en der Mannschaft des Katalanischen Fußballverbands und einem ausländischen Team. Zu den Gegnern gehörten in der Vergangenheit unter anderem Tunesien, Nigeria und Argentinien. Nun also Venezuela.

In Girona standen sich zwei Teams gegenüber, die sich auf Augenhöhe messen konnten, auch wenn die Katalanen überlegen waren und größere Spielanteile hatten. Nach einer torlosen ersten Hälfte gingen die in gelben Trikots mit den vier roten Streifen ihrer Nationalflagge auflaufenden Katalanen in der 52. Minute durch ein Tor von Bojan Krkic in Führung. Doch nur sieben Minuten später konnte Venezuelas Roberto Rosales ausgleichen. Für die Entscheidung sorgte in der 87. Minute Javi Puado, der vor dem Tor der Venezolaner frei zum Schuss kam und den Siegtreffer für die Katalanen markierte.

Die Moderatoren des katalanischen öffentlichen Fernsehens TV 3, das die Partie in voller Länge übertragen hatte, feierten den Erfolg, als wäre es tatsächlich um etwas gegangen. »Venezuela, das Argentinien mit Messi 3:1 besiegt hat, verliert gegen Katalonien!« freute sich der Reporter, als die katalanischen Spieler inmitten von bunten Luftschlangen den etwas überdimensionierten Goldpokal in die Luft hielten. Von den Rängen hörte man, wie schon während des Matches, immer wieder den Slogan »Independència«, den Ruf nach der Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien.

Tatsächlich sorgen die inoffiziellen Länderspiele der katalanischen Auswahl immer wieder für Ärger in Madrid. Die rechte Tageszeitung La Razón etwa regte sich am Dienstag darüber auf, dass Gerard Piqué zwar seinen Rücktritt aus der spanischen Nationalmannschaft erklärt hatte, am Montag aber für die Katalanen angetreten war. »Wer nicht verstehen will, warum ich für Katalonien spiele, wird es nie verstehen«, wies der Star des FC Barcelona nach dem Spiel die Kritik zurück.

Venezuelas Trainer Rafael Dudamel ließ sich bei der Pressekonferenz nach dem Spiel von seinem Assistenten Marcos Mathías vertreten. Dieser wies aber Vermutungen zurück, dass sein Chef die Brocken bereits hingeschmissen habe. Über die Zukunft des Trainers werde zu Hause entschieden, betonte er. Dudamel hatte sich am Freitag in Madrid empört gezeigt, dass vor dem Spiel gegen Argentinien ein Herr namens Antonio Ecarri Bolívar bei der Mannschaft aufgetaucht war. Dieser bezeichnet sich als »Botschafter« Venezuelas in Spanien, ernannt wurde er von dem Putschisten Juan Guaidó. Dudamel kritisierte, dass das Spiel durch den »respektlosen und unethischen« Besuch »politisiert« worden sei, er habe deshalb sein Amt zur Verfügung gestellt.

Erschienen am 27. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt