Treue Vasallen für Rajoy

Spaniens Sozialdemokraten halten Regierungschef Mariano Rajoy in der Auseinandersetzung mit der Regionalregierung Kataloniens den Rücken frei. Übereinstimmenden Medienberichten vom Freitag zufolge haben sich Rajoy und der Chef der »Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei« (PSOE), Pedro Sánchez, darauf geeinigt, in welcher Weise die Autonomie der Region eingeschränkt werden soll.

Rajoys Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo hatte am Donnerstag angekündigt, dass das Kabinett am Sonnabend die Aktivierung des Verfassungsartikels 155 beschließen werde, der die Intervention der Zentralmacht in den autonomen Regionen ermöglicht. Zuvor war ein zweites Ultimatum Madrids an den katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont abgelaufen. Der Kabinettsbeschluss muss dann vom Senat bestätigt werden, was voraussichtlich am kommenden Freitag geschehen soll. Dort verfügt ­Rajoys »Volkspartei« (PP) zwar über eine absolute Mehrheit, doch er will die Verantwortung für die Aufhebung der katalanischen Autonomie nicht alleine tragen.

Der Regierungschef habe sich deshalb zu Kompromissen bereit erklärt, verteidigte PSOE-Vorstandsmitglied Carmen Calvo im spanischen Fernsehen TVE die Unterstützung für Rajoy. Es gehe nur um einen »sehr begrenzten, chirurgischen, weichen und graduellen Eingriff«, behauptete sie. Man habe erreicht, dass für Januar vorgezogene Neuwahlen in Katalonien angesetzt würden, erklärte sie. Die PP habe diese erst später durchführen wollen.

Keine Aussage gab es darüber, wie die spanische Zentralmacht verhindern will, dass eine solche Wahl zu einem Protest gegen die »Fremdherrschaft« werden und die für die Unabhängigkeit eintretenden Parteien gestärkt aus der Abstimmung hervorgehen könnten. In spanischen Medien wurde in den vergangenen Tagen bereits über Parteiverbote spekuliert.

Einig sind sich Sozialdemokraten und Konservative offenbar darin, das katalanische Fernsehen TV 3 und die Regionalpolizei Mossos d’Esquadra der direkten Kontrolle des spanischen Innenministeriums zu unterwerfen. Außerdem sollen die Finanzen der Regionalverwaltung zentral noch schärfer kontrolliert werden. Schon seit einem Monat müssen fast 300 öffentliche Einrichtungen Kataloniens alle Ausgaben vom spanischen Finanzministerium genehmigen lassen.

Nach Informationen des Internetportals eldiario.es soll auch das katalanische Bildungsministerium der Aufsicht Madrids unterworfen werden. Begründet wird das damit, dass bei den angestrebten Neuwahlen in den Schulen die Wahllokale eingerichtet werden müssen. Allerdings beklagen rechtsgerichtete Medien in Spanien schon seit Wochen eine angebliche Indoktrination der Kinder durch das katalanische Bildungssystem. So zitierte die konservative Tageszeitung El Mundo am vergangenen Montag einen Bildungsinspektor in Barcelona, Jordi Cantallops, der eine »Katalanisierung« der Kinder beklagt und verlangt, die bildungspolitische Verantwortung wieder dem spanischen Zentralstaat zu übertragen. Wohin der gehen will, zeigte eldiario.es am Mittwoch auf. Das Kabinett habe begonnen, ein schon 2015 von den Ministerien für Bildung und Verteidigung unterzeichnetes Abkommen umzusetzen. Dieses sieht Maßnahmen vor, um den Kindern die Treue zu Fahne, Wappen und Hymne der spanischen Monarchie einzutrichtern.

In Barcelona droht Bürgermeisterin Ada Colau derweil den Bruch der örtlichen Koalition ihres Linksbündnisses »Barcelona en Comú« mit der sozialdemokratischen PSC an. Sie werde ihre Basis befragen, ob das Bündnis mit dem katalanischen PSOE-Ableger fortgeführt werden könne, wenn sich dieser hinter die Aufhebung der Autonomie stellt. Colau selbst lehnt sowohl die Aktivierung des Artikels 155 als auch eine einseitige Unabhängigkeitserklärung durch Puigdemont ab.

Erschienen am 21. Oktober 2017 in der Tageszeitung junge Welt