Freunde der Putschisten

Wieder stellen sich FDP-Politiker hinter lateinamerikanische Putschisten. War es im Fall des Staatsstreichs gegen den honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya 2009 vor allem die parteinahe Friedrich-Naumann-Stiftung, preschte am Wochenende Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel bei einem Besuch in Paraguay vor und lobte den Sturz des demokratisch gewählten Staatschefs Fernando Lugo. Zudem traf er sich am Samstag mit dem nach dem Sturz Lugos eingesetzten De-Facto-Staatschef Federico Franco. »Mein erster Eindruck ist, daß der Amtswechsel nach den Regeln der Verfassung abgelaufen ist«, wird Niebel auf der Homepage seines Ministeriums zitiert. Weiter behauptet er: »Auch Fernando Lugo hat das Ergebnis faktisch anerkannt.« Dieser hatte jedoch schon unmittelbar nach seinem Sturz am Freitag erklärt: »Heute wurde nicht Fernando Lugo abgesetzt. Es ist die paraguayische Geschichte, seine Demokratie, die schwer verletzt wurden, weil sie (die Putschisten) feige alle Prinzipien der Verteidigung verletzt haben.« Am Wochenende schloß er sich den Protesten an und kündigte an, alle gewaltfreien Aktionen für die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung zu unterstützen.

Es sei »bezeichnend für das Demokratieverständnis von Minister Niebel«, daß er den »institutionellen Staatsstreich« in Paraguay »als erster europäischer Minister gutheißt und dadurch die Interessen der Großgrundbesitzer des südamerikanischen Landes schützen hilft«, kritisierte die Linke-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel das Vorgehen des FDP-Politikers. In einer am Wochenende einstimmig verabschiedeten Erklärung stellte sich auch der Linke-Parteivorstand hinter Lugo und forderte die Bundesregierung auf, das neue Regime nicht anzuerkennen: »Paraguay darf nicht in die Zeiten der brutalen Diktatur Stroess­ner zurückfallen.«

Am Montag bemühte sich die Bundesregierung, die Äußerungen Niebels zu relativieren. Niebel habe seine Äußerung mit den Worten »erster Eindruck« zutreffend eingeschränkt, erklärte Außenamtssprecher Andreas Peschke einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP zufolge.

Praktisch einstimmig haben auch die Nachbarländer Paraguays den Staatsstreich verurteilt und ihre Botschafter aus dem Land abgezogen. Sogar die rechtsgerichteten Regierungen Kolumbiens und Chiles verurteilten den Verfassungsbruch in Asunción und rief ihre Vertreter zu Beratungen zurück. Demonstrativ haben die Staatschefs des südamerikanischen Wirtschaftsblocks Mercosur Paraguays Mitgliedschaft suspendiert und nicht etwa den als neuen Staatschef eingesetzten Federico Franco, sondern Lugo zu ihrem Gipfeltreffen in dieser Woche im argentinischen Mendoza eingeladen.

Venezuelas Regierung kündigte an, die Erdöllieferungen an Paraguay einzustellen. Das könne zu Treibstoffknappheit in dem Binnenland führen, warnte Alberto Grillón, ein Senator der Partei Solidarisches Land. Entgegen anderslautender Behauptungen des neuen Regimes verfüge Paraguay nur über sehr begrenzte Ölreserven.

Weil es die Demonstrationen für Lugo live übertragen hatte, ließen die neuen Machthaber am Samstag abend (Ortszeit) die Einrichtungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Paraguays, Canal 2, besetzen und unterbrachen für mehrere Stunden das Signal. Daraufhin versammelten sich Tausende vor den Studios und protestierten, bis die Übertragungen wieder aufgenommen wurden. Seither kommen über dieses Programm die Putschgegner zu Wort. Die Leitung des Kanals unterstrich, man erkenne die neue Regierung nicht an und unterstütze weiter Lugo. Über das »Offene Mikrofon«, einer seit wenigen Monaten existierenden Sendung des Kanals, erklärte der frühere Innenminister Carlos Filizzola, Lugo bleibe rechtmäßiger Präsident des Landes. Er spreche auch für seine Ministerkollegen, mit denen er sich am Montag zu einer Kabinettssitzung versammeln wollte, um »verschiedene Fronten« im Kampf gegen die Putschisten zu eröffnen, so eine Klage vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Lugo war Ende vergangener Woche in einem insgesamt nur 30 Stunden dauernden Amtsenthebungsverfahren von beiden Kammern des paraguayischen Parlaments für abgesetzt erklärt worden. Gelegenheit, sich gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, wurde ihm praktisch nicht gegeben. Ausschlaggebend für den Sturz des 2008 gewählten Präsidenten war, daß sich die liberale PLRA offen auf die Seite der Regierungsgegner schlug. »Präsident Lugo kann im Parlament nur auf die Unterstützung der Cogoyal-Partei und der Bewegung zum Sozialismus zählen, alle anderen Kräfte gehören zur politischen Opposition, die keinerlei Wandel zulassen will«, hatte der Journalist Joel Cazal schon Ende 2009 dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur gesagt. Bereits damals hatten Putschgerüchte die Runde gemacht, woraufhin Lugo das Oberkommando der Streitkräfte ausgewechselt hatte. Mehr als einen Zeitgewinn hat ihm das offenbar nicht gebracht.

Erschienen am 26. Juni 2012 in der Tageszeitung junge Welt und am 27. Juni 2012 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek