Die Stimme der Freiheit in deutscher Nacht. Der Deutsche Freiheitssender 29,8

Die Stimme der Freiheit in deutscher Nacht. Der Deutsche Freiheitssender 29,8

Die Stimme der Freiheit in deutscher Nacht. Der Deutsche Freiheitssender 29,8Im Juli 1991 erschien in der "Schriftenreihe Politische Untergrundsender" des Kurzwellen-Pressedienstes in Göttingen diese Broschüre über den antifaschistischen deutschen Sender, der während des spanischen Bürgerkrieges aus Spanien nach Hitlerdeutschland sendete.

Hier findet Ihr den kompletten Text meines Beitrages. Die gedruckte Ausgabe enthält außerdem einen Aufsatz von Mirko L Nottscheid über den Spanischen Bürgerkrieg als historisches Ereignis, das die Arbeit des Freiheitssenders 29,8 erst ermöglichte. Diesen Aufsatz habe ich hier nicht übernommen, aber einen lieben Gruß an Mirko, falls er sich mal auf diese Seite verirren sollte.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass ich auch in diesem Fall den Text nicht verändert habe und nur offensichtliche Tippfehler stillschweigend korrigiert habe. Das gilt auch für solche Teile des Textes, die ich heute anders schreiben würde.

 

Die Vorgeschichte

30. Januar 1933. Adolf Hitler wird Reichskanzler. Die Nacht des Faschismus bricht über Deutschland herein.

Der Rundfunk geht ohne Widerstand in die Hände der neuen Machthaber über. Die Nationalsozialist­en müssen nicht viel verändern. Der deutsche Rund­funk war am Ende der Weimarer Republik ohnehin mehr und mehr zur Regierungsstimme geworden. Seit dem Juni 1932 hatte die damalige Regierung Papen das Recht, "den gesamten deutschen Rundfunk nach Bedarf täglich in der Zeit von 18.30 bis 19.30 (…) zur Verbreitung von Nachrichten, auf die die Reichsregierung Wert legt, in Anspruch zu nehmen."

Die Nazis verstärken nach ihrer Machtergreifung die Suche nach illegalen Rundfunksendern der Opposi­tion, die bereits unter der Regierung Papen auf Hochtouren lief. Ausgelöst war sie damals worden durch einen "Roten Sender an das rote Berlin" der KPD:

"Hier ist der Rote Sender an das rote Berlin! Wir danken erst­mal allen bürgerlichen Blättern für die Aufmerksamkeit und die gewiß ungewollte Propaganda, die sie durch mehr oder weniger ungewollte Berichterstattung über unsere bisherigen Sendungen geleistet haben.
Ganz besonders bedanken wir uns bei der politischen Polizei. Die Welt würde lachen, wenn sie erführe, wie ihre Polizeischergen uns dabei geholfen haben, unsere Apparate zu transportieren. Es ist nicht so einfach, Schwarzsender unschädlich zu machen, wie eine Klebekolonne festzunehmen. Also: Bahn frei unserem Roten Sender!"

Den Nazis gelingt es, ein Funknetz des sozialdemo­kratischen "Reichsbanners", einer Selbstverteidi­gungungsorganisation der SPD gegen die Nationalso­zialisten, zu zerschlagen, daß Mitglieder des "Reichsbanners" aufgebaut hatten, um eine Verständigung der Sozialdemokraten untereinander im Falle eines Putsches der Nazis zu ermöglichen. Offenbar zerstörten viele dieser Schwarzfunker nach Hitlers Machtergreifung ihre Geräte, da die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Hindenburg nach Lesart der SPD kein "Putsch" war.

Im März 1933 kann die Gestapo ("Geheime Staats­polizei") den Leiter der Hamburger Sendergruppe und drei seiner Mitarbeiter festnehmen und auf­grund der gefundenen Unterlagen acht geheime Funk­stellen und zwei Sendeanlagen ausheben, die über das gesamte Hamburger Stadtgebiet verteilt sind.

Obwohl es immer wieder vereinzelte Rundfunk-und Funkausstrahlungen deutscher Antifaschisten – vor allem während des Zweiten Weltkrieges – gibt (zu nennen wäre hier besonders die "Rote Kapelle", s.a. die Broschüre "Die Funker der Roten Kapelle" des Kurzwellen-Pressedienstes), gibt es in der Anfangszeit der NS-Diktatur keine Rundfunksendungen deutscher Antifaschisten, geschweige denn regelmäßige Programme. Die einzige Ausnahme stellen die deutschsprachigen Sendungen von Radio Moskau dar, in denen vor allem die Spitzen der in Moskau sitzenden Exil­führung der Kommunistischen Partei (KPD) zu Wort kommen. Die Londoner BBC sendet zu diesem Zeitpunkt noch nicht, die Rundfunkstationen aus Frankreich und der Schweiz sind auf Neutra­lität bedacht und die Schlacht der Schwarzsender wird erst im Zweiten Weltkrieg beginnen. (Näheres hierzu in der Broschüre "Zwischen Hölle und Freiheit" des Kurzwellen—Pressedienstes). So hat der Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels noch ein Monopol auf die deutsche Meinung.

18. Juli 1936. In Spanisch-Marokko putschen Teile der Armee unter Führung des Generals Franco gegen die gewählte spanische Regierung. Hitler-Deutschland und Mussolini-Italien sichern Franco ihre Unterstützung zu.

Einen Tag nach Beginn der Militärrevolte wird das Heer von der Bevölkerung Barcelonas besiegt, ebenso in weiten Teilen des Landes. In Barcelona übernehmen die Arbeiter, hauptsächlich geführt von der anarchistischen Gewerkschaft "Confederación Nacional des los Trabajadores" (CNT), die Macht. Aber mit Unterstützung der von Hitler entsandten Legion "Condor" und von Mussolini gesandten "Freiwilligen" können die Faschisten sich halten.

Frankreich und Großbritannien verfolgen eine Politik der "Nichteinmischung" und weigern sich, der republikanischen spanischen Regierung mit Waffen zu helfen, während die faschistischen Länder Deutschland und Italien Franco massiv unterstützen. Lediglich die Sowjetunion unterstützt die Republik. Dafür verlangt sie aber einen Preis, und so steigt der Einfluß der kleinen Kommunistischen Partei Spaniens (PCE). Sie kommt aber nicht im Geringsten an die eine Million Mitglieder zählende CNT heran.

In dieser Situation werden die ersten Brigaden aus Freiwilligen gebildet, die aus allen Ländern Europas der Volksfrontregierung zu Hilfe eilen. Es sind auch Deutsche darunter – Sozialdemokraten, Kommunisten, Anarchisten und viele andere, die den Faschismus zu einem nicht geringen Teil in den Konzentrationslagern kennengelernt haben. Ihre Bataillone tragen die Namen deutscher Antifaschisten, die von den Nazis ermordet oder in den Konzentrationslagern gefangengehalten wurden – Hans Beimler und Ernst Thälmann sind Beispiele hierfür.

In dieser Lage beginnen Rundfunksendungen in deutscher Sprache aus Spanien. Im Sommer 1936 beginnen deutsche Sendungen von Radio Madrid – Stimme des republikanischen Spaniens (La Voz de la España Republicana) und von Radio Barcelona, einem Sender, der vor allem der Vereinigten Sozialistischen Partei Kataloniens (Partido Socialista Unificado de Cataluña), aber auch der Arbeiterpartei der marxistischen Einigung (Partido Obrero de la Unificación Marxista – POUM) und der Iberischen Anarchistischen Föderation (Federación Anarquista Ibérica – FAI) zur Verfügung steht.

Im Herbst des gleichen Jahres beginnen auch deutsch­sprachige Sendungen des Senders der Generalidad, der katalonischen Regionalregierung. Diese Sendungen werden über die Anlagen von Radio Barcelona ausge­strahlt.

Anfang 1937 schließlich senden auch der Sender der Kommunistischen Partei Spaniens und der Sender der spanischen Gewerkschaften, also der anarchistischen CNT und der sozialistischen UGT, aus Madrid deutsch­sprachige Programme.

Und doch wächst bei den deutschen Antifaschisten, die an der Seite der spanischen Republik gegen die Faschisten kämpfen, der Wunsch nach einem eigenen Sender, einer Stimme des anderen, des antifaschistischen Deutschland, und nicht des republikanischen Spaniens.

Dieser Traum von einem deutschen antifaschistischen Sender ging am 10. Januar 1937 in Erfüllung.

 

 

"Hier ist der deutsche Freiheitssender 29,8"

Januar 1937. Zwei Ausländer betreten das Büro des spanischen Informationsministers Jesus Hernandez. Es sind der ehemalige deutsche Lndtagsabgeordnete Franz Dahlem und der deutsche Publizist Prof. Gerhart Eisler. Im Auftrag der Exilleitung der KPD informieren sie den Minister über den Wunsch der deutschen Kommunisten nach einem geheimen Rundfunksender für antifaschist­ische Sendungen nach Deutschland.

Die Regierung in Madrid stimmt dem Begehren der KPD zu. Es bietet sich hier doch eine weitere Möglich­keit, die Regierung des Staates zu bekämpfen, der immer offener als Aggressor gegen die spanische Volksfrontregierung und als Unterstützer der Franco-Putschisten auftritt.

Als Sender wird eine Anlage ausfindig gemacht, die erst im Jahr zuvor von der Deutschen Lufthansa (!) als Funkverbindung für ihre Südamerika-Linie in Puzuelo del Rey in der Nähe von Madrid aufgebaut worden war. Ohne Zeitverzug wird mit den Testsen­dungen begonnen und schließlich erklingt am 10. Januar 1937 zum ersten Mal die Ansage auf der Kurz­welle 29,8 Meter:

"Achtung, Achtung! Hier spricht der antifaschistische Sender, die Stimme der Kommunistischen Partei Deutschlands."

Das ist der Geburtstag des ersten antifaschistischen Senders, der von Deutschen betrieben wird. Die einzige Station, die zuvor mit gegen Hitler gerichteten Sendungen an die Deutschen herangetreten war, war der Sender der Schwarzen Front, eine von einer oppo­sitionellen Strömung in der NSDAP unter Führung von Otto Strasser betriebene Station. Dieser Sender kritisierte die Politik des Hitler-Regimes aus einer nationalsozialistischen Position heraus und warf dem "Führer" vor, er habe die nationalsozialistische Idee verraten, die antikapitalistisch sei. Als "anti­faschistischen Sender" kann diese Station wohl kaum bezeichnet werden.

Von jenem 10. Januar 1937 an ist an jedem Abend um 22 Uhr die "Internationale" zu hören und anschließend folgt die Stationsansage des Freiheitssenders.

Die Station sendet unmittelbar neben dem faschist­ischen Deutschlandsender, der im 30-Meter-Band die Goebbels-Propaganda in die Welt hinausfunkt. Damit bezweckt man zweierlei.

Zum einen können Hörer des Deutschlandsenders zufällig auf die Sendungen des Freiheitssenders aufmerksam werden, zum anderen wird die Arbeit der Störsender erschwert, deren Wirksamkeit eingeschränkt bleibt, da es die Nazis vermeiden müssen, ihren eigenen Rundfunk unhörbar zu machen.

Zu Beginn hat der Sender zwei Redakteure, die zunächst in Valencia, später in Barcelona die Sendungen gestalten. Der eine von ihnen ist Hans Teubner, der vor 1933 ein Nachrichtenbüro in Berlin geleitet hatte. Sein Kollege ist Erich Glückauf, zuvor Sonderkorres­pondent der "Deutschen Volkszeitung" in Paris.

Während Teubner und Glückauf in Valencia bzw. Barce­lona die Sendungen zusammenstellen, befinden sich die Studios des Senders in Madrid. Hier spricht Hans Maaßen allabendlich die Sendungen des anti­faschistischen Senders, wobei ihm, wie er später meint, seine "harte norddeutsche Aussprache" aus­nahmsweise einmal zustatten kommt.

Was ist der Grund dafür, daß Sender und Studio über 500 Kilometer voneinander entfernt liegen?

Es ist der Wunsch, den Standort der "Stimme der Freiheit in deutscher Nacht" absolut geheimzuhal­ten und die Kontinuität der Sendungen bis zum letzten Tag des Bestehens des antifaschistischen Senders zu gewährleisten.

Es darf nicht vergessen werden: In Spanien herrscht Krieg, während der antifaschitische Sender seine Programme nach Deutschland strahlt.

Alle Glieder des Apparates sind strikt voneinander getrennt, um im Falle eines Einbruches der Franco-Truppen in ein Teilgebiet der Organisation diesen Teil wie mit Sicherungsschotten in sich abriegeln zu können. Und eben aus diesem Grund hat der Sender nur so wenig Mitarbeiter.

Der Sprecher der Station, Hans Maaßen, erinnert sich:

"Ich stand ganz allein auf meinem Posten in Madrid. Mein Studio war geschickt in einem großen Redaktions­gebäude mit viel 'Laufkundschaft' im Zentrum der Stadt eingerichtet. In diesem Hause erschienen die Zeitungen zweier Volksfrontparteien, der 'Mundo Obrero' und das Zentral­organ der 'Izquierda Republicana'. In einem der oberen Stockwerke war eine Pension, in der ich unauffäl­lig eine Wohnung bezog, während ich abends zur Sendezeit einen Stock tiefer eine 'bekannte Fami­lie' zu besuchen pflegte. Hier war das Studio eingerichtet. Ich brauchte also gar nicht einmal mein Haus zu verlassen, um meine tägliche Arbeit zu verrichten, die auf die Minute genau um 20 Uhr begann, denn zwei volle Stunden betrug der Zeitunterschied zu Mitteleuropa.
Die Atmosphäre in der belagerten Stadt, in der unser Studio stand, war nur dazu angetan, den kämpferisch­en Geist unserer Sendungen, die ich täglich sprach, zu heben.
Wie oft ist es mir passiert, daß mitten in der Sendung die Sirenen aufheulten und das E-Werk den Strom abschaltete. Nun arbeitete unser Sender natürlich mit eigenem Aggregat, die Lichtleitung war aber dem Orts­netz Madrid angeschlossen. Dann mußte ich die Sendung um einige Sekunden unterbrechen, bis ich meine Notbeleuchtung angezündet hatte. In solchen Fällen pflegte ich mich nicht bei meinen Hörern in Deutschland zu entschuldigen. Wie hätten sie mich auch verstehen sollen, noch hatten sie den Krieg ja nicht im eigenen Hause! Ich setzte dann meine Sendung einfach mit dem nächsten Absatz des Manu­skripts fort."

Bereits in den ersten Wochen des Sendebetriebes des antifaschistischen Senders auf Welle 29,8 bestäti­gen Hörerzuschriften, die die Station über und aus neutralen Ländern erreichen, daß 29,8 bei seinen Hörern in Deutschland ankommt. Diese Zuschriften kommen durch die Vermittlung illegaler Gewerkschafts­gruppen in Deutschland über Gewerkschaftsbüros im Ausland zum Sender. Bereits kurze Zeit nach Aufnahme der Sendungen entsteht in Paris ein "Verbindungs­komitee für den Geheimsender 29,8". Dieses "Comite de liaison du poste emetteur de la liberte", das von der französischen kommunistischen Gewerkschaft CGT ins Leben gerufen worden war, hat sein Büro im X. Stadtteil von Paris, in der Rue de Faubourg-St. Denis 148.

An den Inhalt der Sendungen des antifaschistischen Senders auf Welle 29,8 erinnert sich noch einmal sein Sprecher Hans Maaßen:

"Genauigkeit und Wahrhaftigkeit verschafften unseren Sendungen in der Folgezeit großen Kredit bei den Hörern und trugen uns den besonderen Haß von Goebbels ein. Wir ließen Tatsachen sprechen. Tatsachen und noch einmal Tatsachen und stellten sie immer wieder den Biedermannserklärungen Hitlers und Görings gegenüber. Nur zu gut wußten wir, wie leichtgläubig die Masse des deutschen Volkes vor allem den sozialen Phrasen der Goebbels, Ley und Konsorten auf den Leim kroch. Darum konfrontierten wir mit Vorliebe die tönenden Phrasen aus dem Vokabular der Propagandaredner und aus dem Naziprogramm mit so einfach nachprüfbaren Fakten wie den Jahresberichten der großen Aktiengesellschaften und anderen Monopolunternehmen, die man dem Wirtschaftsteil jeder Zeitung entnehmen konnte. Diese wirkungsvollen Beiträge wurden für unser Programm von der Redaktion in Valencia zusammen­gestellt. Sie erforderten ein genaues Studium der großen Wirtschaftszeitun­gen und eine wissenschaftliche Arbeitsweise. Mir als Sprecher blieb im allgemeinen an redaktioneller Arbeit nur noch der Kommentar vom Tage sowie die Zusammenstellung der internationalen Nachrichten, mit denen ich die Sendungen abzuschließen pflegte.
Natürlich war ich häufig genug vor Tagesfragen gestellt, die keine 24 Stunden Aufschub duldeten und von mir selbst redaktionell bear­beitet werden mußten. Und diese Ausnahme wurde sogar zur Regel, als später die Redaktion in Barcelona arbeitete, jede Landverbindung zu Madrid abgeschnitten und ich auf die Paketboot-Linie oder die Luftpost angewiesen war, die aller­dings oft genug ausfielen – denn Spanien war ja im Krieg!"

In dieser Anfangszeit des Senders tritt er als Stimme der KPD auf, was auch an seiner eingangs zitierten Stationsansage deutlich wird. Das muß beachtet werden, wenn Hans Maaßen von "Genauigkeit und Wahrhaftig­keit" spricht. Selbstverständlich vermittelt 29,8 die Position der Exilleitung der KPD und damit der Sowjetführung unter Stalin. Und Stalins Politik war – gerade auch im spanischen Krieg – von "Säube­rungen" der Bewegung von politischen "Gegnern", von Anarchisten, Trotzkisten, Kommunisten mit ab­weichenden Meinungen. Und hier machte Stalin auch nicht vor den Internationalen Brigaden halt, die für die spanische Republik kämpften. Auch tut der Sender nichts, um seine Hörer über den Standort der Station aufzuklären, die viele in Deutschland vermuten.

Im Frühjahr 1937 wird in Paris der deutsche Volks­frontausschuß gegründet, ein Zusammenschluß von Kommunisten, linken Sozialdemokraten und anderen Antifaschisten. Sein Vorsitzender wird der be­kannte deutsche Schriftsteller Heinrich Mann. Die Exilleitung beschließt, den antifaschistischen Sender der Volksfront zu übergeben. Ab diesem Augen­blick lautet die Ansage:

"Achtung! Achtung! Hier spricht der Deutsche Freiheitssender 29,8.
Trotz Gestapo! Sollten Sie uns an einem Abend nicht hören können, aus begreiflichen Gründen, so suchen Sie uns am nächsten Abend. Wir kommen immer wieder!"

Als der Deutsche Freiheitssender 29,8 das Gründungsmani­fest des deutschen Volksfrontausschusses ausstrahlt, schreibt Heinrich Mann:

"Wir sind jetzt verbunden mit Deutsch­land durch unsere Müh' und Arbeit, durch Welle 29,8. Reichen wir ein­ander die Hand! Verbünden wir uns gegen den gemeinsamen Feind! Sozia­listen, Kommunisten, Demokraten, Angehörige aller Konfessionen! Handeln wir gemeinsam, helfen wir uns gegenseitig, beenden wir jegliche Zersplitterung, die nur Hitler nützt. Schließen wir uns zusammen zur großen deutschen Volksfront, die allein unser deutsches Volk zum Sturze Hitlers führen kann!"

Mit der Überführung der Welle 29,8 zur Stimme der Volksfront wendet sie sich an alle Kreise der deutschen Bevölkerung. Der Sender der KPD hatte sich natürlich fast ausschließlich an die Arbeiterklasse gewendet.

Dementsprechend ist auch das Echo in Deutschland größer. Der Freiheitssender spricht jetzt alle Kreise an, die den Faschismus aus sozialen, politischen, ethischen oder religiösen Motiven heraus ablehnen und in diesen Kreisen findet der Sender auch seine Hörer. Aber auch unter Mitgliedern der NSDAP findet 29,8 Hörer.

Als Stimme der Volksfront erreicht der Freiheits­sender Menschen, die einen kommunistischen Sender wohl kaum hören würden. So heißt es über die Wirkung von 29,8 in den vom ZK der KPD in Paris herausge­gebenen "Deutschland-Informationen":

"Köln. Wir haben festgestellt, daß Pfarrer die Rede von Heinrich Mann stenographierten, dann verviel­fältigten und weitergaben. Sehr stark ist auch der Eindruck des Senders auf die sozialdemokratischen Arbeiter.
Konstanz. Der Sender 29,8 ist schon Tagesgespräch und wird sogar viel von den Soldaten gehört. Es gibt sogar Chargierte, die nahe der Kaserne wohnen und ihn jeden Abend hören. Wir haben da ein interessan­tes Beispiel erlebt: Ein Arbeiter in einem Rüstungsbetrieb erzählte, daß ein Feldwebel die Rundfunkge­sellschaft anrief und sich erkundigte, was denn da los sei, er habe eben seinen Apparat einge­stellt und einen KP-Sender gehört. Die Antwort der Rundfunkgesell­schaft war: Ja, wir sind schon informiert, es konnte aber bis jetzt nichts daran geändert werden. Behalten Sie es für sich und sagen Sie es niemandem weiter."

Auch die von der Sozialdemokratischen Partei (SPD) herausgegebenen "Deutschland-Berichte" gehen auf den Deutschen Freiheitssender 29,8 ein:

"Rheinland. In der letzten Zeit sucht man eifrig nach Schwarzhörern. Peilwagen sind ständig unterwegs, um die Leute festzu­stellen, die Kurzwellen-Sende­einrichtungen benutzen. Man besitzt auch Listen über alle Leute, die Empfangsgeräte haben.
Schlesien. Der kommunistische Geheimsender 29,8 hat eine große Bedeutung erlangt. Selbst in den Kreisen der Nationalsozialisten wird der Gemeinschaftsempfang organisiert. Oppositionelle Nationalsozialisten lassen unver­hohlen ihre Schadenfreude da­rüber erkennen, daß dieser Sender existiert. In Breslau sind in letzter Zeit einige Prozesse durchgeführt worden, in denen Strafen bis zu fünf Jahren Zucht­haus für das Rundfunkhören ver­hängt wurden."

Viele deutsche und ausländische Prominente nutzen die Chance, über Welle 29,8 zum deutschen Volk zu sprechen. So zum Beispiel der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway:

"Ich war in diesem Sommer bei der Ebro-Offensive der repu­blikanischen spanischen Armee. Da sah ich Deutsche, die saßen in Heinkel- und Junkers-Flugzeugen; sie kamen in Überzahl, flogen über friedliche Dörfer, warfen ihre Bomben ab, pulverisierten die Häuser der Bauern, verbrannten die Ernte und flohen dann, ohne den Kampf anzunehmen, als sich die ersten republikanischen Flieger am Horizont zeigten. Unten aber, über die Ufer des Ebro, zogen auf alle Gefahr hin das Bataillon Thälmann und andere deutsche Bataillone. Sie wagten alles, wußten, daß in der Gefangenschaft ihnen der Tod drohte, aber sie führten ihren Auftrag aus, griffen an, siegten. Sie verpflegten später die Flüchtlinge aus den zerstörten Dörfern, sie nahmen sich der Kinder an, sie machten gut, was die Junkers schlecht ge­macht hatten. (…) Ich grüße diese Deutschen und verfluche die anderen, die in den Junkers sitzen, samt denen, die die feigen Bombenschmeißer da unten hingeschickt haben. Das ist alles."

Auch Albert Einstein schickt eine Botschaft leiden­schaftlicher Parteinahme für das republikanische Spanien und als der Beauftragte des Freiheitssenders in Großbritannien, Jürgen Kuczynski, im Mai 1938 in die USA kommt, um Geld für 29,8 zu sammeln, besucht er in Princeton den genialen Gelehrten. Kuczynski muß Einstein vom Sender, von seiner poli­tischen Arbeit in England und von der Situation im Lande berichten. Der Gelehrte gibt Kuczynski eine Liste mit möglichen Spendern, die er am folgen­den Tag in einem eilig nachgeschickten Brief noch ergänzt. Kuczynski notiert: "Wie groß waren doch sein Interesse und seine Hilfsbereitschaft!" Der berühmte flämisch-französische Maler Franz Masereel richtet Anfang August 1938 ermunternde Worte an die Illegalen in Deutschland – ausgestrahlt auf Welle 29,8:

"Deutsche Freunde, wir wissen: Ihr seid geblieben, was Ihr wäret. Wir wissen, ihr seid geduldig und stark, fleißig und zäh, und ihr gebt die Hoff­nung nicht auf, euch von dem lastenden Druck des Kürassier­stiefels zu befreien."

Auch der amerikanische Sänger Paul Robeson spricht Anfang März 1938 über den Freiheitssender:

"Was Faschismus wirklich be­deutet, das habe ich in Madrid gesehen… Als farbiger Sohn eines unterdrückten Volkes muß ich gegen den Faschismus kämpfen. Meine Haltung als Künstler kann keine andere sein. (…) Für mich gibt es eine Aufgabe: Alles, was in meinen Kräften steht, für die Unterstützung des spanischen Volkes zu tun. Darum habe ich beschlossen, den Ertrag meiner gesamten künst­lerischen Arbeit der Regierung der spanischen Republik zur Verfügung zu stellen. Ich sende dem kämpfenden deutschen Volk meine herzlichsten Grüße. Gleich­zeitig grüße ich auch den Teil des spanischen Volkes, der heute in Unterdrückung durch den Faschismus leben muß. Ich weiß, ein Tag wird kommen, wo das deutsche Volk einen ebenso offenen und heldenhaften Kampf führen kann wie das spanische Volk heute, und wie ein Teil des deutschen Volkes ihn heute be­reits heimlich führt. Ich kann dem deutschen Volk nur meine besten Wünsche für eine bessere Zukunft aussprechen."

Im Freiheitssender sprechen auch zahlreiche auslän­dische Politiker, so mehrere Mitglieder des Partei­vorstandes der Sozialistischen Partei Frankreichs, der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Spaniens, Ramon Lamoneda, der schwedische Sozia­listenchef Georg Branting und der österreichische Kommunistenführer Johann Koplenig.

Auch britische Parlamentsabgeordnete sprechen auf 29,8, die die Nichteinmischungspolitik Großbritanniens im spanischen Krieg verurteilen, so G.R. Strauß, John Parker und Captain Fletcher.

Lediglich rechte Führer der Sozialdemokratie lehnen jede Zusammenarbeit mit der Volksfront und dem Freiheitssender ab. Dies stößt bei vielen Sozial­demokraten im Reich auf Unverständnis, wie aus mehreren Briefen an den Freiheitssender hervorgeht.

Zeit seines Bestehens beherrscht die Frage nach seinem Standort die Diskussion um den Deutschen Freiheitssender 29,8. Die meisten Hörer vermuten, daß die Station von irgendwo im Reichsgebiet aus sendet – denn woher sonst könnte der Sender immer so aktuell informiert sein?

Auch die Gestapo vermutet den Sender zunächst in Deutschland. Rheinschiffe und LKWs werden durch­sucht, als Gerüchte aufkommen, der Sender würde sich darauf befinden oder er werde gerade nach Berlin transportiert. Erst mit Hilfe italienischer Peilspezialisten kann Spanien als Standort für den Freiheitssender festgestellt werden, zu weit entfernt für den langen Arm der Gestapo.

Aber woher haben die Mitarbeiter des Freiheitssen­ders ihre Informationen? Der Redakteur des Sen­ders, Hans Teubner, erinnert sich:

"Kuriere brachten aus Paris die Kuverts der Parteiführung nach Spanien, die auch die Beiträge aus dem Kreis des Volksfront­ausschusses enthielten. Vor allem aber übermittelten sie uns umfangreiche Informationen, die die Verbindungsleute zwischen den illegalen Kämpfern in Deutsch­land und den führenden Genossen in Paris unter Einsatz ihres Lebens laufend über die 'grüne Grenze' brachten. Dank der Fin­digkeit und Kaltblütigkeit dieser Grenzgänger war es erst möglich, daß die Redaktion aktuell über neueste Ereignisse in Deutsch­land, über Vorgänge in den Be­trieben und Städten berichten konnte, daß sie über exakte Meldungen von Waffen- und Truppentransporte der faschistischen Wehrmacht nach Franco-Spanien von deutschen Flugplätzen oder vom Hamburger Hafen aus verfügte.

Wir hörten auch die faschistischen Sender ab, so daß wir sehr schnell reagieren konnten. Weiteres Material über Spanien bezogen wir vom ZK der KP Spaniens, aus ihrem Zentralorgan 'Mundo Obrero' und anderen Volksfront­zeitungen."

Immer wieder zieht 29,8 Parallelen zwischen Spanien und Deutschland, um die Menschen im Reich aufzurütteln. So sagt Franz Dahlem, der dem Führungsstab der Internationalen Brigaden in Spanien angehört, in einer Rede, die von 29,8 übertragen wird:

"Würden Hitler und Mussolini in Spanien siegen, so wäre die Gefahr des kriegerischen Überfalls auf die nächsten Länder Tschecho­slowakei, Litauen, Österreich und damit der Ausbruch des euro­päischen Krieges drohend nahe… Es geht um den Frieden der Mensch­heit.

Wer die Zerstörung und die Grau­samkeit des Krieges miterlebt, wer das entsetzliche Elend und das grenzenlose menschliche Leid sehen muß, der hat den heißen Wunsch, daß unserer Heimat ein solches Schicksal erspart bleibe; denn er sieht in Gedanken, wie morgen Köln und Essen, Hamburg, Berlin und Leipzig dasselbe Los teilen könnten wie heute Madrid, Barcelona, Valencia, Lerida, Castellon usw. Wer nachdenkt begreift, daß Spaniens Volksfrontarmee, und als Teil von ihr die Internationalen Brigaden, um den Frieden der Menschheit kämpfen."

Der Zweite Weltkrieg hat Franz Dahlem auf schreck­liche Weise bestätigt.

Der Freiheitssender leitet die Werktätigen in Deutsch­land mit konkreten Vorschlägen zum Widerstand gegen den Faschismus an. Am 29. April 1937 vermerkt die Gestapo in Berlin:

"Der Schwarzsender der KPD (Welle 29,8 m) hat am 28.4.37 um 22 Uhr u.a. folgende Anregung durchge­geben: 'Die Siemens-Arbeiter machen den Vorschlag, am 1. Mai von 12 Uhr bis 12 Uhr 15 mittags denken alle, ob Mann oder Frau, einen gemeinsamen Gedanken: Wie kann man Hitler stürzen?'"

Offensichtlich ist die Gestapo über derartige Aktionen beunruhigt, da nicht auszuschließen sei, daß sich daraus "spontane Proteste" entwickeln könnten.

Der Kampf gegen Goebbels wird von 29,8 auch mit der Musik geführt. Der Freiheitssender bringt Kampf­lieder der Arbeiterklasse in die Wohnung der Hitler­gegner. Heinrich Mann dazu:

"Hört das Lied der Zeit, hört alle seinen Schall und Schritt! … Das Lied der Zeit hat euren Tonfall. Ihr sollt es wiedererkennen, wenn die Platten mit den Brandgesängen vom deutschen Freiheitssender euch in die Ohren gestürmt werden."

Eines der vom Freiheitssender gespielten Lieder ist Ernst Buschs Lied "Thälmann-Kolonne":

"Spaniens Himmel breitet seine Sterne
über unsere Schützengräben aus
und der Morgen lacht schon aus der Ferne,
bald geht es zu neuem Kampf hinaus!
Die Heimat ist weit,
doch wir sind bereit –
wir kämpfen und siegen für dich,
für Spaniens Freiheit!"

Der Redakteur von 29,8, Hans Teubner, schreibt über die Rolle der Musik in den Sendungen der "Stimme der Freiheit":

"In Spanien, bei den Internatio­nalen Brigaden, konnte man erfahren, welch ungestüme Kraft den oft in zehn oder mehr Sprachen gesungenen Kampfliedern innewohnte. Und diese Kampflieder drangen trotz Störsender in die deutsche Heimat und packten die Herzen der Antifaschisten. Egon Erwin Kisch hat mit seinem 1939 in Paris geschrie­benen Wort Recht behalten: 'Wen des Volkes Lied preist, der lebt ewig, denn das Volk preist nur den, der die Sache des Volkes verficht, die ewige Sache. Man kann Menschen zu Tausenden füsilieren, zu Hunderttausenden in Konzentrationslager sperren, weiter klingt das Lied.'"

Trotz allem Werben für die Volksfront bleibt der Freiheitssender doch die Stimme der KPD. Hans Teubner räumt auch ein:

"Der Sender 29,8 hatte vor allem die Aufgabe, die Beschlüsse der Brüsseler Konferenz der KPD des Jahres 1935 zu popularisieren, d.h. die Strategie und Taktik der revolutionären Kampfpartei zum Sturz des Hitlerfaschismus anschaulich darzule­gen und Klarheit über die geschichtlichen Grund­fragen der deutschen Arbeiterklasse, aller Werktätigen und der gesamten Nation zu schaffen."

Über den Freiheitssender sprechen auch führende Mitglieder der KPD, so z.B. Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht, die beide nach dem Krieg an die Spitze der DDR kamen.

Bei wichtigen Anlässen spricht die Parteilei­tung der KPD über den Freiheitssender zur deutschen Arbeiterklasse, so am 26. September 1938:

"Achtung, höchste Gefahr! Hitler will den Krieg! Ach­tung, höchste Gefahr! Hitler will den Krieg! Es geht jeden an! Das Leben jedes einzelnen ist bedroht, ganz Deutschland ist aufs furchtbarste bedroht, denn Hitler will den Krieg! Achtung! Jetzt spricht zu euch die Leitung der Kommunist­ischen Partei Deutschlands. Sie sagt euch, was ihr im Kriegsfall tun sollt! Hört, was sie zu sagen hat. Flüstert es weiter, sagt es euren Freunden und Bekannten."

Anfang 1939 werden die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter des Freiheitssenders immer schwieriger, weil Francos Truppen immer weiter vormarschieren. Die Bombardierungen Barcelonas durch die Flieger von Hitlers "Legion Condor" nehmen immer mehr zu.

Über die letzten Tage des Freiheitssenders schreibt Hans Teubner:

"Wir hörten das Krachen der Bomben bei uns in Barcelona. Aber da wir daran gewöhnt waren und wenig darauf achteten, merkten wir gar nicht, wie Barcelona bereits von den Faschisten umzingelt wurde. Als die republikanischen Truppen aus Barcelona herausge­zogen wurden, wurden wir das nicht gewahr. Man hatte uns bei der Evakuierung faktisch vergessen. So verdan­ken es Erich Glückauf, Lotte Spangenberg und ich einem glücklichen Umstand, daß wir, nachdem wir eiligst noch unsere Materialien vernichtet und unsere Geräte zerstört hatten, mit einem der allerletzten Lastwagen aus der Stadt herauskamen. In Gerona trennte sich Lotte von uns, weil sie einer evakuierten Frauengruppe zugeteilt wurde."

Am 9. Januar 1939 begeben sich Hans Teubner und Erich Glückauf von La Junquera über die Grenzbrücke ins französische Perthus. Weil die Straße, auf der die Interbrigadisten der XI. Brigade entlangziehen, dicht von französischen Soldaten gesäumt ist, schöpfen Teubner und Glückauf den Verdacht, daß der Weg im Lager endet. Deshalb kehren sie zurück nach Spanien und gehen mit einigen Nachhutkämpfern über die Berge und gelangen so unbemerkt nach Frank­reich, wodurch sie der Internierung entgehen. Unbehelligt gelangen sie nach Paris, wo Teubner sofort von der KPD in die Schweiz und Glückauf in ein nordeuropäisches Land geschickt werden. Hans Teubner weiter:

"So war unser Sprecher Hans Maaßen ganz auf sich allein angewiesen. Jetzt mußte er auch die gesamte redaktionelle Arbeit besorgen. Ende März, vor dem Fall Madrids, traf er Kurt Hager (Redakteur des Freiheitssenders und des offiziellen spanischen Rundfunks, später in der DDR Ideologiechef und Mit­glied des Politbüros der SED – die Red.), der ihm noch wertvolle Instruktionen gab.

Beim Fall Madrids gelang es Kurt Hager, nach Valencia und von dort nach England zu entkommen. Hans Maaßen dagegen geriet in faschist­ische Gefangenschaft. Es blieb aber unentdeckt, daß er etwas mit dem Geheim­sender zu tun gehabt hatte. Dennoch mußte er mehrere Jahre im Franco-Kerker und -Internierungslager zubrin­gen."

Der Deutsche Freiheitssender 29,8 strahlt seine letzte Sendung am 5. März 1939 aus. Sechs Monate später beginnt mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg.

 

 

Die Mitarbeiter des Deutschen Freiheitssenders 29,8

Börner, Herr: Sprecher
Eisler, Gerhart: Von der KPD mit dem Aufbnau des Senders beauftragt, erster Redakteur
Glückauf, Erich: Redakteur, Sprecher
Gyptner, Richard: Redaktionsleiter in Paris
Hager, Kurt: Redakteur
Hager, Vera: Sprecherin
Kuczynski, Jürgen: Beauftragter des Freiheitssenders in Großbritannien und Wirtschaftsredakteur
Maaß, Alexander: Sprecher
Maaßen, Hans: Sprecher, Redakteur, ab Februar 1939 allein mit den Sendungen beschäftigt
Sager, Annie: Sprecherin
Spangenberg, Lotte: Redakteurin, Sprecherin
Stibi, Georg: Redakteur
Teubner, Else: Redaktionsmitarbeiterin
Teubner, Hans: ab 1937 Chefredakteur

Einzelne Beiträge kamen von

Anton Ackermann * Hermann Axen * Franz Dahlem * Bertold Brecht * Willi Bredel * Ernst Busch * Albert Einstein * Lion Feuchtwanger * Heinz Friedrich * Stephan Hermlin * Albert Hößler * Alfred Kerr * Egon Erwin Kisch * Hubertus Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg * Rudolf Leonhard * Karl Mewis * Heinrich Mann * Thomas Mann * Hans Marchwitza * Wilhelm Pieck * Gustav Regler * Ludwig Renn * Erich Weinert * Arnold Zweig * u.a.

(Quelle: Conrad Pütter – Rundfunk gegen das "Dritte Reich", K.G. Saur-Verlag München 1986)

 

 

Der falsche "Freiheitssender"

Wenige Monate nach dem Ende des Deutschen Freiheits­senders 29,8 ertönt wieder eine Ansage aus dem Äther:

"Hier ist der Deutsche Freiheits­sender auf 29,8 Meter und 40,9 Meter!"

Doch dieser Deutsche Freiheitssender ist nicht nur antinationalsozialistisch und prosozialistisch, sondern auch betont antikommunistisch. Er greift den "real existierenden Kommunismus" stalinscher Prägung scharf an.

Betrieben wird dieser Versuch, die Hörer von 29,8 an sich zu binden, von Frankreich aus. Werner Thor­mann und wahrscheinlich auch Willi Münzenberg, ein Kommunist der mit der KPD gebrochen hatte, betrei­ben die Station unter dem direkten Schutz der fran­zösischen Regierung, die mit diesem Sender die Reich­weite ihrer Rundfunkpropaganda gegen Hitlerdeutsch­land vervollkommnen will.

Von den Mitgliedern der KPD im Ausland werden die Mitarbeiter des französischen Deutschen Freiheits­senders als "Halunken" angegriffen. Auch nach dem Krieg sprechen in der DDR herausgegebene Berichte über den Deutschen Freiheitssender 29,8 von einem mißglückten Versuch, die "Arbeiter in Deutschland unter dem Deckmantel des Deutschen Freiheitssen­ders mit reaktionärer Propaganda" zu erreichen.

Die Wirksamkeit dieses zweiten Freiheitssenders kommt nicht annähernd an die von 29,8 heran.

 

 

"Hier ist der Deutsche Volkssender"

10. September 1941. Seit neunundzwanzig Monaten schweigt der Deutsche Freiheitssender 29,8. Seit dem 22. Juni befinden sich die Sowjetunion und Hitlerdeutschland im Krieg gegeneinander. An diesem Tag ertönt auf Kurzwelle zum ersten Mal die Ansage:

"Achtung! Achtung! Hier ist der Deutsche Volkssender! Wir sprech­en im Namen des deutschen Vol­kes!"

Der Deutsche Volkssender ist auf Sendung. Er be­zeichnet sich als Nachfolger des Freiheitssenders 29,8.

In der Anfangszeit seines Bestehens versucht der Volkssender den Eindruck zu erwecken, er würde von einer Widerstandsgruppe aus Deutschland betrieben. Doch schon nach einem halben Jahr gibt er diese Tarnung auf und bezeichnet sich jetzt als Stimme des Zentralkomitees der KPD in Moskau.

Über den Volkssender kommen alle wichtigen Funktio­näre der illegalen KPD zu Wort, teilweise unter voller Namensnennung. So melden sich Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht, die auch schon über den Frei­heitssender 29,8 gesprochen hatten.

Der Deutsche Volkssender betreibt auch Unterstatio­nen, die zwar in ihrer Anfangsphase – zur Zeit der angeblichen "Illegalität" des Volkssenders – be­haupten, sie seien eigenständige Stationen, die aber später als spezielle Zielgruppensendungen des Volkssenders auftreten. Diese Unterstationen sind der Frauensender, der Soldatensender ("Die Heimat ruft die Front!") und der Jugendsender Sturmadler:

"Achtung! Achtung! Hier ist der Sturmadler, der Sender der deut­schen Jugend!
Wahrheit, Freiheit, Recht und Ehre,
Das ist unser Kampfpanier!
Deutschlands Jugend rufen wir: Sammelt Euch in unserm Heer!"

Der Volkssender bringt auch verschlüsselte Meldun­gen an angebliche oder wirkliche kommunistische Widerstandsgruppen im Reich. Wandparolen und Flug­blätter verliest man langsam zum Mitschreiben.

Vor allem in den deutschen Arbeiterkreisen ist der Sender bekannt. Er ist wohl als Informationsliefe­rant für kommunistische Untergrundgruppen in Deutsch­land wichtig. Besonders seine Kriegsgefangenen­programme, in denen die Namen von gefangenen Wehr­machtssoldaten genannt werden und die immer die Aufforderung enthalten, die Angehörigen über den Verbleib der Soldaten zu informieren, erreicht eine relativ große Bekanntheit.

Der Volkssender arbeitet bis zum 15. Mai 1945 teilweise auf drei Frequenzen gleichzeitig in diversen Kurzwellen-Meterbändern.

Mitarbeiter des Volkssenders sind:

Anton Ackermann (Redakteur, Sprecher), Fritz Apelt (Redakteur), Martha Arendsee (Redakteurin, Sprecherin, hauptsächlich beim Soldatensender), Johannes R. Becher (Lesungen, gelegentl. Mitarbeit), Willi Bredel (Redakteur), Karl Dröll (Sprecher), Bernhard Dohm (Redakteur, Sprecher beim Jugendsender), Fritz Erpen-beck (Redakteur), Wilhelm Florin (bis 1944 Chefredakteur), Ernst Fischer (Kommentator), Lene Fischer (Redakteurin, Sprecherin beim Jugendsender), Helmut Gennys (Sprecher), Lea Grosse (Redakteurin, Sprech­erin beim Frauensender), Gustav Gundelach (Sprecher und Redakteur), Richard Gyptner (Redakteur, Sprecher, Militärkommentator, ab 1944 Chefredakteur des Sol­datensenders), Georg Hansen (ab 1944 Chefredakteur), Edwin Hoernle (Redakteur, Sprecher), Bernhard Koenen (Redakteur, Sprecher), Lotte Kühn (Sprecherin), Grete Lohde (Redakteurin, Sprecherin beim Frauen­sender), Hans Mahle (Redakteur, Sprecher beim Ju­gendsender), Karl Maron (Aufrufe und Ansprache), Wilhelm Pieck (Aufrufe und Ansprachen), Fritz Schä-licke (Leiter und Sprecher des Jugendsenders), Elli Schmidt (Redakteurin, Sprecherin beim Frauensender), Paul Schwenk (Redakteur, Sprecher bei Sendungen für die deutsche Landbevölkerung und beim Soldaten­sender), Lotte Ulbricht (Sprecherin, Redaktionsse­kretärin), Walter Ulbricht (Aufrufe und Ansprachen), Paul Wandel (Sprecher, Redakteur), Inge v. Wangen­heim (Mitarbeiterin beim Frauensender), Erich Weinert (Aufrufe und Ansprachen), Otto Winzer (Redakteur, bis 1944 Chefredakteur des Soldatensenders), Erna Winzer (Sprecherin), Friedrich Wolf (Mitarbeit), Markus Wolf (Sprecher, Redakteur), Hedda Zinner (Redakteurin beim Frauensender)

(Quelle: Conrad Pütter – Rundfunk gegen das "Dritte Reich", München 1986)

 

 

Der Sender Freies Deutschland

18. Juli 1943. Auf acht Kurzwellen- und zwei Mittel­wellenfrequenzen ertönt zum ersten Mal die Stimme des "Nationalkomitees Freies Deutschland":

"Achtung! Achtung! Hier spricht der Sender Freies Deutschland auf dem 37-, 41-, 43-, 50- und 51-Meter-Band. Wir sprechen im Namen des deutschen Volkes. Wir rufen zur Rettung des Reiches! Achtung! Hier ist der Sender Freies Deutschland! Wir rufen die deutsche Wehrmacht!"

Kurz vor dem Start dieses Senders ist in Moskau von Exil-Kommunisten und Kriegsgefangenen das "Natio­nalkomitee Freies Deutschland" gegründet worden. Dieses Komitee versucht, die deutschen Soldaten über Flugblätter, die Zeitung "Freies Deutschland" und Grabenlautsprecher zum Überlaufen zu bewegen. Über den Sender Freies Deutschland versucht das NKFD jetzt, auch in Deutschland präsent zu sein. Chef­redakteur des Senders ist Anton Ackermann, sein Stellvertreter Hans Mahle. Als fester Redakteur arbeitet außerdem Gustav von Wangenheim mit. Die militärischen Mitarbeiter der Station sind Major Herbert Stößlein, Unteroffizier Matthäus Klein, der als evangelischer Pfarrer Sonntagspredigten hält, und der Obergefreite Leopold Achilles. Im Januar 1944 wird die Redaktion noch um zwei zivile und zwei militärische Mitarbeiter vergrößert. Hauptsprecher sind zwischen Juli 1943 und September 1945 Fritz Heilmann und zwischen April 1944 und April 1945 zusätzlich Wolfgang Leonhard.

Die Programme des Senders Freies Deutschland dauern Anfang 1944 zwischen 15 und 20 Minuten und werden um 10.30, 11.30, 18.30, 19.40, 21.15 und 22.00 Uhr ausgestrahlt.

Obwohl die offiziellen Stellen des "Dritten Reiches" den Sender als "gefährlich" einstufen und obwohl Goebbels ihn wütend in seinen Tagebüchern erwähnt, erreicht er nirgendwo sein Ziel. Nirgendwo werden Widerstandszellen gebildet und größere Überläufe sind eher auf die Ausweglosigkeit der Lage als auf die Agitation des NKFD zurückzuführen.

Wie alle "Feindsender" werden auch die Sendungen des Senders Freies Deutschland durch Störsender überlagert. Doch während der Deutsche Freiheits­sender 29,8 damals dem Störsender ausweichen konnte, machen die deutschen Störer den Sender Freies Deutschland fast unhörbar.

In der DDR wurde die Arbeit des Senders Freies Deutschland nach dem Krieg stark beschönigt und seine Wirksamkeit übertrieben.