Hoffnung in grün?

Drei frühere Bürgermeister der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, die dieses Amt nacheinander zwischen Januar 1995 und Dezember 2007 inne gehabt haben, lehren den bisherigen Favoriten der Präsidentschaftswahl in Kolumbien das Fürchten. Im August 2009 schlossen sich Luis Eduardo Garzón, Enrique Peñalosa und Antanas Mockus, die aus unterschiedlichen Parteien stammen, zusammen und kündigten die Gründung einer neuen Partei an. Kurz darauf erklärte auch die „Grüne Partei Option der Mitte“ ihre Unterstützung für diese Initiative, sodass im Oktober der 5. Parteitag dieser 2005 gegründeten Organisation zum Gründungskongress der neuen „Grünen Partei Kolumbiens“ wurde. In Vorwahlen bestimmte diese neue Formation den 1952 geborenen Antanas Mockus, der Bogotá von Januar 1995 bis April 1997 sowie von 2001 bis 2004 regiert hatte, zu ihrem Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 30. Mai 2010.

Wurden Mockus zunächst wenig Chancen eingeräumt, den Vertretern der etablierten Parteien gefährlich zu werden, hat sich dies in den vergangenen Wochen dramatisch geändert. Mehrere Meinungsforschungsinstitute sehen ihn mittlerweile vor dem eigentlichen Favoriten, dem früheren Verteidigungsminister Juan Manuel Santos, der für die Partei des derzeitigen Amtsinhabers Álvaro Uribe, „de la U“, antritt. So prognostizierte das Institut Datexco am 30. April 38,7 Prozent für Mockus, während 26,7 Prozent für Santos votieren wollten. Am 7. Mai veröffentlichte auch das Centro Nacional de Consultoría ein nahezu identisches Ergebnis für Mockus, während es Santos allerdings noch bei 34 Prozent sah. Zugleich ging das Institut aber davon aus, dass sich Mockus in einer möglichen Stichwahl deutlich gegen Santos durchsetzen würde, da er die Unterstützung der Anhänger nahezu aller anderen Parteien bekommen würde.

Mockus´ Höhenflug geht vor allem zu Lasten des Linksbündnisses Demokratischer Alternativer Pol (PDA) und dessen Kandidaten Gustavo Petro. Als die Wochenzeitung Semana in einer Untersuchung danach fragte, für wen die Befragten stimmen würden, wenn Mockus nicht antreten würde, schoss Petro auf 42 Prozent hoch. Bei der jetzigen Konstellation kann er den Prognosen zufolge jedoch nur mit etwa fünf Prozent der Stimmen rechnen.

Tatsächlich verbinden zahlreiche Wähler mit Mockus die Hoffnung auf einen grundsätzlichen Wandel in einem Land, das von Bürgerkrieg, Drogenkriminalität und Korruption geprägt ist. Der grüne Kandidat füttert diese Hoffnungen mit dem Versprechen, unter seiner Regierung werde sich das Verhältnis zum Nachbarland Venezuela verbessern. Die im Wahlkampf von machen Medien verbreiteten Befürchtungen, Venezuelas Präsident Hugo Chávez wolle seine „Bolivarische Revolution“ nach Kolumbien exportieren, bezeichnete Mockus als „Hysterie“. Der beste Weg, einen solchen Export zu verhindern, sei, Kolumbien besser als Venezuela zu machen.

Das Linksbündnis setzt hingegen keine Hoffnungen in Mockus. So bezeichnete PDA-Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro seinen grünen Konkurrenten als „neoliberal“. Mockus glaube, die freie Marktwirtschaft könne die Rechte der Kolumbianer garantieren. Das unterscheide ihn vom Linksbündnis. Trotzdem sprach sich Petro für eine Allianz mit Mockus bei der wahrscheinlichen Stichwahl aus. Er werde den Grünen außerdem in seine Regierung einbinden, wenn er die Wahl gewinne, kündigte Petro an. Andere Vertreter des Bündnisses verweisen allerdings auch darauf, dass Mockus es bislang vermieden hat, Uribes Regierungspolitik offen zu kritisieren. Tatsächlich hatte dieser im Gespräch mit den Studenten erklärt, er dürfe „sich nicht einen Millimeter in das einmischen, was Präsident Uribe tut“. Das gelte bis zum 7. August, dem Tag der Amtsübergabe. Seine Bemühungen, sich nicht in die Regierungspolitik einzumischen, gingen sogar so weit, dass er in einer Fernsehdiskussion mit allen Präsidentschaftskandidaten auf die Frage des Moderators, was er gedacht habe, als er vom Angriff der kolumbianischen Armee auf ein FARC-Lager in Ecuador hörte, antwortete, er könne sich daran nicht erinnern. Dieser Angriff hatte die Region an den Rand eines Krieges gebracht.

Das Wahlprogramm der Grünen und ihres Kandidaten zeigt keinen Weg zu einer Beendigung des seit Jahrzehnten dauernden Bürgerkriegs auf. So weist Mockus auf seiner Wahlkampf-Homepage die Forderung nach einem Gefangenenaustausch zurück, wie ihn zahlreiche Angehörige von Gefangenen der FARC fordern. „Es wäre eine humanitäre Geste, wenn der Entführer sein Handeln bereut und sein Opfer einseitig freilässt. … Aber man darf keine Zugeständnisse machen. Entführungen dürfen weder mit Geld noch mit der Freilassung von durch die Justiz verurteilter Personen bezahlt werden“, erteilt Mockus einem Gefangenenaustausch eine Absage. Außerdem kündigte er auch an, die Militärausgaben nicht kürzen zu wollen, wenn die FARC nicht „sofort“ die Waffen niederlegten.

Die Antwort der Guerilla kam postwendend. Am 5. Mai veröffentlichte die alternative kolumbianische Nachrichtenagentur ANNCOL einen Artikel des FARC-Führungsmitglieds Pablo Catatumbo, in dem dieser allen führenden Kandidaten vorwirft, „den bewaffneten Konflikt und den schmutzigen Krieg verlängern“ zu wollen. „Unter diesen Bedingungen bietet keiner der am meisten unterstützten Kandidaten eine wirkliche Lösung für die nationalen Probleme, und wer schließlich zum Präsidenten gewählt werden wird, sei es der eine oder der andere, würde nur einen Wechsel in der Verwaltung und der Gruppe von Privilegierten, der er nutzen will, bedeuten, aber keinen Regierungs- oder Kurswechsel, denn letztlich sind sie alle Neoliberale. Und neoliberal bedeutet: Feind des Volkes, der Volksorganisierung, der Rechte und Errungenschaften der Arbeiterklasse, der Gewerkschaften, der Arbeiter- und Bauernkämpfe. Es bedeutet Anhänger einer Ordnung zu sein, die das Regime der Ausbeutung und den Kapitalismus unveränderbar und ewig macht.“

Erschienen am 14. Mai 2010 in der Wochenzeitung UZ – Unsere Zeit