Rückenwind aus Schottland

In einer Woche, am 18. September, entscheiden die Schotten in einem Referendum über ihre Sezession vom Vereinigten Königreich. Das Votum wird auch in Barcelona und Madrid genau verfolgt. Für die Verfechter einer katalanischen Unabhängigkeit bedeutet die Abstimmung im Norden der britischen Insel Rückenwind – wenn sich die Schotten für ihre Eigenständigkeit entscheiden sowieso. Aber auch, wenn sie weiter Untertanen der Regierung in London bleiben.

 

Denn die britische Administration hat den Schotten die Durchführung des Referendums erlaubt und zugesichert, das Ergebnis so oder so zu akzeptieren. In Madrid will die spanische Regierung demgegenüber den Katalanen ein solches Votum mit Verweis auf die Verfassung des Königreichs verweigern. Zudem tat sich der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy schon im Sommer als Stimmungsmacher gegen eine Unabhängigkeit Schottlands hervor. Es würde nicht in die EU aufgenommen werden, drohte er. Der eigentliche Empfänger dieser Botschaft waren jedoch seine eigenen Noch-Landsleute in Katalonien. Hier könnte sich das allerdings als Bumerang herausstellen, denn angesichts der Folgen der EU-Politik für Spanien wächst in Katalonien die Zahl der Menschen, die eine Unabhängigkeit nicht nur von Madrid, sondern auch von Brüssel wollen. Deren Stimme ist die linke »Kandidatur der Volkseinheit« (CUP), die seit der letzten Wahl im katalanischen Parlament vertreten ist. Aus Anlaß des Nationalfeiertags forderte ihre Sprecherin Isabel Vallet von der Regionalregierung, das für den 9. November vorgesehenen Referendum über eine Eigenständigkeit Kataloniens auch bei einem Verbot aus Madrid durchzuführen. Sollte es sich dazu nicht in der Lage sehen, müsse das Kabinett von Artur Mas zurücktreten. Es brauche einen radikalen Bruch mit der bisherigen Ordnung: »Ein neues Land aufzubauen ist nicht möglich, ohne die Wirtschaftsordnung, das politische System sowie die gesellschaftliche und patriarchale Ordnung umzuwälzen. Ein neues Land benötigt die Überwindung des Kapitalismus – sonst wird der Kapitalismus uns überwinden.«

Erschienen am 11. September 2014 in der Tageszeitung junge Welt