Portugiesen sagen nein

Hunderttausende Menschen haben am Donnerstag mit einem 24stündigen Generalstreik das Wirtschaftsleben in Portugal weitgehend zum Erliegen gebracht. Wie Sprecher der Gewerkschaftsverbände CGTP und UGT, die zu dem Ausstand aufgerufen hatten, am Nachmittag erklärten, war die Beteiligung sowohl im privaten Bereich wie auch in den Staatsbetrieben und Behörden außerordentlich hoch und erreichte häufig 100 Prozent. Landesweit hätten 80 bis 90 Prozent der Beschäftigten die Arbeit niedergelegt, sagte CGTP-Sprecher Armando Farias am Nachmittag. Sein Generalsekretär Arménio Carlos zeigte sich gegenüber Medienvertretern überzeugt davon, daß die Regierung nach diesem vierten Generalstreik in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr so weitermachen könne wie bisher. Diese Richtung hatte bereits die von der Gewerkschaft ausgegebene Losung vorgegeben: »Schluß mit Ausbeutung und Verarmung, weg mit dieser Regierung!«

 

Der Chef des oppositionellen Linksblocks, João Semedo, sprach von »einem der größten Generalstreiks in der Geschichte der portugiesischen Demokratie«, also seit der Nelkenrevolution 1974. Nach diesem Ausstand sei die Regierung noch isolierter als zuvor, ihr Rücktritt rücke näher. Der Generalsekretär der Portugiesischen Kommunistischen Partei, Jerónimo de Sousa, warf Ministerpräsident Pedro Passos Coelho »Verlogenheit« vor. Dieser hatte den Generalstreik mit den Worten kritisiert, was das Land jetzt brauche sei mehr Arbeit, nicht weniger. »Es ist zynisch, so etwas zu sagen, während die Politik der Regierung zur höchsten Erwerbslosigkeit in der demokratischen Geschichte geführt hat«, unterstrich der Politiker. Allein in den vergangenen zwei Jahren seien Hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet worden.

Durch den Ausstand kam in ganz Portugal der öffentliche Nahverkehr fast vollständig zum Erliegen. Fernzüge und die Metro in der Hauptstadt Lissabon standen ebenso still wie Fähren und Busse. Zu Beeinträchtigungen kam es auch im Flugverkehr, zahlreiche Verbindungen der portugiesischen Airlines wurden gestrichen oder verspäteten sich. Die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa stellte am Morgen ihre Arbeit ein, Müllabfuhr und Postboten kamen nicht. Auch in Krankenhäusern, Universitäten und Schulen sei der Ausstand deutlich zu spüren gewesen, hieß es in Medienberichten.

Portugal hatte sich als Gegenleistung für ein 2011 von der EU gewährtes »Hilfspaket« in Höhe von 78 Milliarden Euro zu einem »strengen Sparkurs« verpflichtet. In der Folge kletterte die offizielle Arbeitslosenrate auf das Rekordniveau von 18 Prozent. Das Land steuert zudem auf das dritte Rezessionsjahr in Folge zu. Trotzdem bereite das Kabinett weitere Kürzungen vor, die es in den Sommermonaten bekanntgeben wolle, wenn viele Beschäftigte im Urlaub seien, warnte Arménio Carlos. »Sie haben Angst, denn wir wissen, daß die Arbeiter und das Volk keine Angst mehr haben«, sagte der CGTP-Chef. Demgegenüber ist die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds voll des Lobes für die folgsamen Politiker in Lissabon. Das »Sanierungs- und Reformprogramm sei auf gutem Wege, die Stabilität des Finanzsektors sei gewahrt worden«, zitierte die Nachrichtenagentur dpa Sprecher der EU-Kommission. Von Brüssel ist für die Portugiesen also auch weiterhin nichts Gutes zu erwarten.

Erschienen am 28. Juni 2013 in der Tageszeitung junge Welt