Oppositionelle Medien verschweigen Ausschreitungen

Einen Tag nach den blutigen Ausschreitungen der rechten Opposition herrschte am Dienstag (Ortszeit) in Caracas und anderen Städten Venezuelas angespannte Ruhe. Präsident Nicolás Maduro erklärte, das Volk und die Streitkräfte hätten gemeinsam den Putschversuch der Rechten gestoppt. Sieben getötete Menschen war die offizielle Bilanz der Angriffe von Regierungsgegnern auf Einrichtungen des Nationalen Wahlrates (CNE), Gesundheitszentren und kubanische Ärzte sowie Büros der Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV). 61 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

 

In den oppositionellen Medien spielten die Opfer keine Rolle. Stundenlang wurden Ansprachen des am Sonntag dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro unterlegenen Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski übertragen, ansonsten liefen Telenovelas und Zeichentrickfilme. In einigen Zeitungen wurde sogar angezweifelt, ob es die Morde überhaupt gegeben habe. Darauf reagierten die staatlichen Fernsehsender mit einer Liveübertragung der Trauerfeier für einen der Getöteten und Interviews mit dessen Angehörigen. José Luís Ponce war am Montag im Hauptstadtbezirk Baruta erschossen worden. Er war ein Bewohner einer im Rahmen des Wohnungsbauprogramms Gran Misión Vivienda Venezuela neu entstandenen Siedlung in La Limonera. Die neuen Bewohner werden von ihren Nachbarn angefeindet. Diese gehören zumeist der gehobenen Mittelschicht an und empfinden die Nähe von Ärmeren als störend. Im staatlichen Fernsehen VTV berichteten Betroffene, daß sogar aus umliegenden Hochhäusern auf sie geschossen werde, ohne daß die zuständige Bezirkspolizei PoliBaruta etwas unternehme. Sie forderten das Eingreifen der Zentralregierung, um eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern. Auch in anderen Bundesstaaten organisierten sich die Anhänger der venezolanischen Regierung gegen die Putschgefahr. Aus Barinas berichtete jW-Korrespondentin Modaira Rubio, dort sei es gelungen, mehrere Gesundheitszentren vor Übergriffen zu verteidigen.

Für den Abend hatte Capriles seine Anhänger erneut zu einem »Cacerolazo« aufgerufen. Durch das lautstarke Trommeln auf Kochtöpfe sollten diese für eine Neuauszählung der Stimmen demonstrieren. Allerdings hat die Opposition diese bislang gar nicht offiziell beantragt. Venezuelas Informationsminister Ernesto Villegas erteilte Capriles deshalb über den Internetdienst Facebook Nachhilfeunterricht: »Capriles, laß es mich dir erklären: Erst einmal mußt du ein verwaltungsrechtliches Dokument erstellen und die Beschwerde beim CNE mit allen Beweisen belegen, die du hast. Anschließend wird der CNE das Dokument und alle Beweise prüfen und entscheiden, ob er dem Antrag auf eine Neuauszählung der Stimmen stattgibt oder nicht. Wenn der CNE feststellt, daß der Antrag unbegründet ist, mußt du dich an die Wahlabteilung des Obersten Gerichtshofes wenden und die Beschwerde auf diesem Weg verfolgen. Das ist die verantwortungsvolle und legale Vorgehensweise – und das weißt du, denn du bist Rechtsanwalt. Capriles, warum hast du es nicht so gemacht?«

Der Oppositionsführer hatte bei einer Pressekonferenz angebliche Unregelmäßigkeiten präsentiert, die ihm den Sieg bei der Wahl am Sonntag gekostet haben könnten. So behauptete er, daß in einem Wahllokal mehr Stimmen abgegeben worden seien als dort Wähler registriert wären. Tatsächlich gab es in dem Wahllokal zwei Urnen, für die jeweils einige hundert Venezolaner wahlberechtigt waren. Capriles hatte zwar korrekt die Zahl der an einer dieser Urnen stimmberechtigten Bürger genannt, allerdings die Zahl der in beiden Urnen abgegeben Stimmen zusammengezählt. »Das ist nicht der Fehler von jemandem, der der Mathematik nicht mächtig ist, sondern eine bewußte Manipulation«, prangerte Villegas dieses Vorgehen an.

Auf das erneute Krachschlagen der Opposition – das offenkundig deutlich leiser als noch am Montag ausfiel – reagierten die Chavistas mit lautstarker Musik und Feuerwerk. In mehreren Vierteln der Hauptstadt entwickelten sich daraus regelrechte Straßenfeste. Zudem entspannte sich die Lage dadurch, daß Capriles eine für Mittwoch angekündigte Demonstration im Zentrum von Caracas absagte. Die Regierung hatte zuvor angekündigt, den Marsch auf den Zentralsitz des CNE nicht zuzulassen, weil das eigentliche Ziel der Aktion das Schüren von Gewalt sei.

Erschienen am 18. April 2013 in der Tageszeitung junge Welt