Millionenschwere Kriegsspiele

Am heutigen Donnerstag beginnt in Norwegen die »Kernphase« des NATO-Manövers »Trident Juncture«. An dieser größten Militärübung des westlichen Kriegsbündnisses seit dem Ende des »Kalten Krieges« nehmen nach offiziellen Angaben rund 50.000 Soldaten aus den 29 NATO-Mitgliedsstaaten sowie den »Partnern« Finnland und Schweden teil. 250 Flugzeuge, 65 Schiffe und 10.000 Fahrzeuge sind vor allem im zentralen und östlichen Norwegen und auf der Ostsee unterwegs, um den Krieg gegen Russland zu proben. »Nach der Annektierung der Krim durch Russland beschloss die NATO 2016 eine stärkere Abschreckung und Verteidigung«, machte der Bundeswehr-Soldatensender Radio Andernach, den die Zivilbevölkerung nur in Ausnahmefällen hören darf, die Stoßrichtung der Großübung deutlich. Für die Außenstehenden versicherte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel dagegen, dass die NATO »eine defensive Allianz« sei: »Alle Mitglieder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sind eingeladen worden, Beobachter zu Trident Juncture zu entsenden, und ich begrüße, dass Russland ebenso wie Belarus die Einladung angenommen haben.«

Die Bundeswehr hat 8.000 Uniformierte nach Skandinavien geschickt und stellt damit nach den USA das zweitgrößte Truppenkontingent. 90 Millionen Euro lässt sich die Bundesregierung dieses Kriegsspiel kosten. »Dieses Geld ist gut angelegt«, verkündete am Dienstag der Sprecher der AG Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Felgentreu, auf der Homepage des Parteiorgans Vorwärts. »Denn die Bündnisverteidigung, das Herz der NATO, bleibt eine leere Hülle, wenn Einsätze von großen Verbänden aus allen Mitgliedsländern des Bündnisses nicht auch ab und zu geübt werden.« Die NATO brauche »jetzt auch wieder Panzer, Geschütze und Transportmöglichkeiten«.

In Norwegen sehen viele Menschen den Aufmarsch ausländischer Truppen kritisch. Die Zeitung Friheten etwa empörte sich darüber, dass der britische Verteidigungsminister Tobias Ellwood von einer »russischen Aggression in unserem Hinterhof« gesprochen und damit den Norden Norwegens gemeint hatte. Im ganzen Land werde es zu Protestaktionen kommen, kündigte der norwegische Fernsehsender TV 2 am Wochenende an und zitierte den Friedensaktivisten Harald Reppesgaard mit der Warnung, die Übung werde die Spannungen mit Russland weiter verschärfen. Bereits am vergangenen Sonnabend demonstrierten in Trondheim nach Schätzungen des norwegischen Rundfunks NRK etwa 500 Menschen gegen das Manöver, für das kommende Wochenende mobilisieren Friedensinitiativen und linke Organisationen zu einer weiteren Demonstration in Oslo.

Erschienen am 25. Oktober 2018 in der Tageszeitung junge Welt