Keine Polizeigewalt!

Angesichts der massenhaften Proteste gegen den ab Sonntag auf Schloss Elmau in Oberbayern stattfindenden G-7-Gipfel hat Gastgeberin Angela Merkel (CDU) ihre teure Party gegen die wachsende Kritik verteidigt. In einem Interview der Deutschen Presseagentur sagte sie, man könne nicht alle Konflikte in 24 Stunden lösen, aber Reden sei besser als Schweigen. Trotzdem blieb der russische Präsident Wladimir Putin ausgeladen. Eine Teilnahme Moskaus sei »derzeit nicht vorstellbar«, so Merkel: »Die G 7 sind eine Gruppe von Staaten, die Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit teilen.«

Davon merken die Menschen, in deren Region das Gipfeltreffen stattfinden soll, kaum noch etwas. Tatsächlich herrscht in ganz Oberbayern Belagerungszustand. Die Polizeipräsenz gefährdet sogar die öffentliche Sicherheit. Wie der Münchner Merkur in seiner Freitagausgabe berichtete, konnte in Bad Hindelang im Allgäu ein Waldbrand erst in letzter Sekunde gelöscht werden, weil die dafür eigentlich zur Verfügung stehenden Hubschrauber nicht zu Hilfe gerufen werden konnten. Sie werden im Rahmen des G-7-Gipfels eingesetzt.

Trotz solcher Zustände versammeln sich in Garmisch immer mehr Menschen. Das Bündnis »Stop G7 Elmau« forderte das Landratsamt auf, weitere Flächen für die Demonstranten zur Verfügung zu stellen. Dort wollte man davon bislang nichts wissen. Auch die Dauerkundgebung am Bahnhofsvorplatz war von den Polizeimaßnahmen betroffen, so dass die Einladung zum »Tag der internationalen Solidarität« am Freitag um einen Warnhinweis ergänzt wurde: »Inwieweit die Planung umgesetzt werden kann, richtet sich nach dem Ausmaß, in dem 24.500 Polizisten und die bayerischen Behörden die Versammlungsfreiheit weiterhin rechtswidrig einschränken.« Tatsächlich wurden ausländische Gäste zum Teil mehrere Stunden aufgehalten. Am Platz standen Uniformierte; um die offenen Zelte, unter denen Referenten im Schatten saßen, streifte ein Polizist in dunkler Zivilkleidung, der die Pistole offen sichtbar am Gürtel und als Legitimation eine grüne Armbinde trug. Die Organisatoren bedauerten, dass die Bürger des Kurorts durch die massive Polizeipräsenz davon abgehalten würden, sich unbefangen mit den Inhalten der Proteste auseinanderzusetzen.

Am Freitag mittag zogen rund 500 Menschen vom Protestcamp los, um sich an einer antimilitaristischen Demonstration bei dem in deutscher und US-amerikanischer Trägerschaft betriebenen »George-C.-Marshall-Zentrum für Sicherheitsstudien« zu beteiligen. Lautstark Parolen gegen Krieg, Kapitalismus und für internationale Solidarität rufend, zogen sie bei 30 Grad und strahlendem Sonnenschein durch die Straßen. Den ersten und einzigen Stopp gab es bereits nach wenigen hundert Metern: Hochgerüstete Polizisten blockierten ihren Zug. Nach langen Diskussionen durften die Demonstranten schließlich ihren Weg fortsetzen. Die Beamten begleiteten den Marsch im Spalier. Wer den Zug verlassen wollte, wurde unsanft auf die Straße zurückgeschubst.

Der für Sonntag geplante Sternmarsch nach Elmau bleibt nach Ablehnung eines Eilantrages durch das Verwaltungsgericht Garmisch-Partenkirchen am Freitag eingeschränkt. Das Gericht gab allerdings einem Antrag auf Zulassung einer Delegation in Hör- und Sichtweite der Veranstaltung auf Schloss Elmau statt. Maximal 50 Personen dürfen nun nach Personenkontrollen vor das Schloss auf eine ihnen zugewiesene Fläche.

Demgegenüber gab sich Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer am Freitag vormittag bei einer Pressekonferenz versöhnlich. Auf Rückfrage von jW, ob er damit rechne, dass in den nächsten Tagen Gewalt von der Polizei gegen Demonstranten ausgehen werde, erklärte Kammerer, dies könne er ausschließen. Eine Distanzierung von möglicherweise auch widerrechtlicher Polizeigewalt hielt er deshalb nicht für nötig. Damit äußerte er sich auch nicht klarer als das Bündnis »Stop G7 Elmau«. Von diesem wurde in den vergangenen Wochen wiederholt eine »Distanzierung« von Gewalt gefordert. Das Bündnis reagierte mit der Aussage: »Von uns geht keine Eskalation aus.«

Verfasst gemeinsam mit Lena Kreymann und Claudia Wangerin
Erschienen am 6. Juni 2015 in der Tageszeitung junge Welt