Bericht vom Putsch

Noch bis Freitag versucht eine Delegation der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH), sich einen Überblick über die Situation in Honduras unter dem Regime der Putschisten zu verschaffen. In der Hauptstadt Tegucigalpa wurde ein Büro eingerichtet, in dem Opfer täglich zwischen neun und 17 Uhr über Verletzungen der Menschenrechte berichten können. Anschließend wird die von CIDH-Präsidentin Luz Patricia Mejia, eine Venezolanerin, geleitete Delegation einen Bericht an die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verfassen, damit diese über weitere Maßnahmen beraten kann.

Zu den ersten Zeugen, die von der Kommission befragt wurden, gehörte der unabhängige, linke Präsidentschaftskandidat Carlos H. Reyes. Dieser erschien mit verbundenem Arm zur Anhörung. Reyes war am 5. August am Rande einer Demonstration im Norden von Tegucigalpa von Angehörigen der gefürchteten Aufstandsbekämpfungseinheit COBRA und Soldaten brutal angegriffen worden und hatte dabei mehrere Knochenbrüche erlitten. Auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand antwortete Reyes: »Natürlich tut es sehr weh. Aber noch stärker schmerzt es, daß sie uns um 30 Jahre zurückwerfen wollen. Und deshalb müssen wir Honduraner weiter gegen die Barbarei dieser Gruppe kämpfen, die mit Gewalt die Macht an sich gerissen und kein Interesse an den Menschen hat.«

Während ein Gespräch mit dem »Übergangspräsidenten« des Regimes, Roberto Micheletti, von der Kommission nicht vorgesehen ist, kamen die Abgesandten unter anderem mit Generalstabschef Romeo Vásquez Velásquez, dem militärischen Anführer der Putschisten, zusammen. Über Ergebnisse der Begegnung wurde zunächst nichts bekannt.

Der Parlamentsabgeordnete der Linkspartei Demokratische Vereinigung (UD), Marvin Ponce, kam zur Anhörung gestützt auf Krücken, der rechte Arm eingegipst, im Gesicht noch deutliche Spuren der Mißhandlungen, die ihm Polizisten am 12. August bei einem Einsatz gegen eine Großdemonstration der Widerstandsbewegung zugefügt hatten. Ponce berichtete, wie er während des Zuges zwei Zivilbeamte beobachtet hatte, die als Provokateure aus der Demonstration heraus Steine auf ihre Kollegen geworfen hatten. Daraufhin hätten Uniformierte begonnen, Jagd auf die Protestierenden zu machen. »Ich sah, wie ein Militär eine Mutter verfolgte, die ihr Kind dabei hatte. Ich stellte mich dazwischen, um sie zu schützen und vom Ort wegzu-bringen, als ein Soldat mir einen heftigen Schlag versetzte.« Dabei sei er gegen einen anderen Demonstranten gestoßen worden und zu Boden gegangen, woraufhin die Soldaten brutal auf ihn eingeprügelt hätten.

Auch außerhalb der Anhörungen ermutigt die Präsenz der Menschenrechtskommission zahlreiche Opfer, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. So berichtete ein junges Mädchen, das gemeinsam mit seiner Mutter am Montag in die Studios des Hörfunksenders Radio Progreso gekommen war, wie es am vergangenen Freitag in Choloma zusammen mit mehreren männlichen Begleitern von der Polizei verhaftet wurde. Während die Männer kurz darauf freigelassen wurden, brachten die Soldaten die junge Frau an einen unbekannten Ort und fielen zu viert über sie her. Anschließend ließen sie die Hilflose liegen, die zunächst orientierungslos umherirrte, bis sich ihrer eine zufällig vorbeikommende Passantin annahm.

Unterdessen wächst die internationale Isolation der Putschisten weiter. Nachdem Argentinien die honduranische Botschafterin in Buenos Aires, Carmen Eleonora Ortez Williams, des Landes verwiesen hatte, erklärte das Regime in Tegucigalpa den Abbruch der Beziehungen zu dem südamerikanischen Land. Die Beziehungen zu Argentinien sollen nun über die honduranische Botschaft in Israel abgewickelt werden, teilte ein Sprecher der Putschisten mit. Die argentinische Regierung wies dieses Ansinnen zurück und kündigte an, daß ihre Diplomaten in Honduras bleiben werden, da Argentinien das De-Facto-Regime und seine Entscheidungen nicht anerkenne. Auch Costa Rica hat auf Bitten des rechtmäßigen Präsidenten José Manuel Zelaya der bisherigen Botschafterin von Honduras im Nachbarland, Suazo, die Akkreditierung entzogen.

Erschienen am 20. August 2009 in der Tageszeitung junge Welt und am 21. August 2009 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek