3.000 Kilometer nordwärts

In Mexiko haben Tausende Menschen aus Honduras und anderen Ländern Zentralamerikas ihren Marsch nach Norden fortgesetzt. Am Mittwoch zogen sie einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP zufolge zwölf Stunden lang vom südmexikanischen Huixtla aus in das 60 Kilometer entfernte Mapastepec – bis zur Grenze der USA liegen noch 3.000 Kilometer vor ihnen. Die meisten Menschen gingen zu Fuß, einige wurden von Autos mitgenommen. Die Vereinten Nationen sprechen von rund 7.000 Menschen, die sich der Karawane angeschlossen haben. Die mexikanischen Behörden gaben ihre Zahl dagegen am Mittwoch mit 3.630 deutlich niedriger an. Rund 1.700 hätten in Mexiko Asyl beantragt. Die meisten wollen jedoch nicht aufgeben. »Sie laufen so lange, wie sie können«, sagte einer der Teilnehmer, Brian Colindres, am Mittwoch dem US-Sender Fox News. Ebenso wie andere regierungsnahe Medien in den USA macht der Kanal die oppositionellen Demokraten für die »Invasion illegaler Migranten« verantwortlich. Der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, behauptete im Rundfunksender WZFG, dass die Karawane politisch motiviert sei, um die im November anstehenden Wahlen zu beeinflussen. »Man kann so eine Karawane nicht ohne Ressourcen organisieren.«

US-Vizepräsident Michael »Mike« Pence überraschte am Dienstag (Ortszeit) bei einer Diskussionsveranstaltung der Washington Post mit gewagten Thesen über die Flüchtlinge. Es sei »undenkbar«, dass sich in »einer Menge von mehr als 7.000 Leuten, die auf unsere Grenze zumarschieren«, keine »aus dem Nahen Osten stammenden« Teilnehmer befänden. Immerhin habe man im vergangenen Jahr »zehn Terroristen oder Verdächtige am Tag festgenommen«, die aus anderen Ländern als Mexiko gekommen seien, »also aus dem Nahen Osten«.

Tatsächlich stammen die meisten Menschen in dem Treck – unter ihnen viele Frauen mit kleinen Kindern – aus Honduras, El Salvador und Guatemala. Doch auch dafür hat Pence eine Erklärung. Unter Berufung auf den honduranischen Staatschef Juan Orlando Hernández behauptete er, dass die Karawane von »linken Gruppen« aus Honduras organisiert und »von Venezuela finanziert« worden sei. Die Menschen seien »nach Norden geschickt worden, um unsere Souveränität und unsere Grenze herauszufordern«. Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro wies die Äußerungen Pences als »paranoid« zurück. Am Mittwoch sagte er im Präsidentenpalast Miraflores, die Mächtigen in Washington seien »besessen«, weil sie seine Regierung nicht hätten stürzen können.

Wie der US-Kanal CNN am Donnerstag berichtete, üben Washingtons Diplomaten Druck auf die mexikanischen Behörden aus, damit diese die Flüchtlinge stoppen, bevor sie die Grenze erreichen. Nordamerikanische Juristen kritisierten das scharf, weil den Menschen dadurch das Recht verweigert werde, in den USA Asyl zu beantragen. Nach einer ähnlichen Karawane im Frühjahr hatten letztlich 401 Menschen in den Vereinigten Staaten Schutz vor politischer Verfolgung beantragt. Von ihnen wurden 374 durch die Behörden als »glaubwürdig« eingestuft und festgestellt, dass ihr Antrag Aussicht auf Erfolg hat.

In Mexiko hat die Karawane der Flüchtlinge aufgeregte Diskussionen ausgelöst. Im Süden des Landes gebe es eine begeisternde Unterstützung der Bevölkerung für die Schutzsuchenden, berichtete der Alternativsender Radio Zapatista. Dagegen reagierten die Behörden lediglich »militaristisch« auf den Treck, kritisierten Menschenrechtsorganisationen. Immer wieder komme es zu willkürlichen Übergriffen auf Teilnehmer der Karawane. Für den heutigen Freitag haben die Kommunistische Partei Mexikos und andere Organisationen zu einer Demonstration zur Solidarität mit den Menschen aus Zentralamerika in der Hauptstadt aufgerufen. Mitglieder des kommunistischen Jugendverbandes FJC haben begonnen, Lebensmittel und andere Hilfsgüter für die Marschierenden zu sammeln.

Andrés Manuel López Obrador, der am 1. Dezember als mexikanischer Präsident vereidigt wird, versprach den Flüchtlingen, dass sie in Mexiko bleiben könnten. Bei einer Kundgebung in Chiapas kündigte er am vergangenen Sonntag an, den Migranten Arbeitsvisa ausstellen zu wollen. »Es wird genügend Arbeit für die Mexikaner und für die Zentralamerikaner in unserem Land geben.«

Erschienen am 26. Oktober 2018 in der Tageszeitung junge Welt