Tod an der Grenze

In Mittelamerika spitzt sich die Krise um Tausende Flüchtlinge zu, die vor Hunger und Kriminalität nach Norden fliehen und die USA erreichen wollen. Bis zu 2.000 Menschen versuchten am Sonntag im Norden Guatemalas gewaltsam, die Grenze nach Mexiko zu überwinden. Polizisten beider Staaten gingen mit Tränengas gegen die Menge vor. Bei den Auseinandersetzungen starb ein 26jähriger Honduraner, nachdem er von einem Geschoss am Kopf getroffen worden war, wie die Tageszeitung La Jornada unter Berufung auf die guatemaltekische Feuerwehr berichtete. Es sei unklar, ob die Schüsse von Polizisten aus Guatemala oder aus Mexiko abgegeben wurden.

Den Berichten zufolge hatte sich die Gruppe in den vergangenen Tagen im Norden Guatemalas gesammelt. Mexikanische Grenzschützer kündigten über Lautsprecher an, den Menschen Visa für die Durchreise auszustellen. Sie müssten jedoch ruhig bleiben, damit eine sichere Weiterreise gewährleistet werden könne. Die Ausstellung der Reisedokumente habe sich immer weiter verzögert, so dass die Menschen tagelang im Niemandsland an der Grenze campieren mussten, hieß es. »Wenn wir hierbleiben, sterben wir vor Hunger und Kälte. Wir wollen kein Asyl in Mexiko, wir wollen nur passieren«, zitierte die britische BBC einen der Wartenden.

Bereits seit dem 13. Oktober ist eine bis zu 7.000 Menschen starke Karawane unterwegs nach Norden. Am Sonntag legten die meisten Teilnehmer in San Pedro Tapanatepec im Bundesstaat Oaxaca einen Ruhetag ein. Dieser sollte auch dazu dienen, die internen Sicherheitsmaßnahmen zu verbessern, nachdem sich am Vortag die Lage zeitweise zugespitzt hatte. Unter den Menschen war das Gerücht aufgekommen, dass ein Kind geraubt worden sei. Der Tat wurde ein nicht zur Karawane gehörender Mann beschuldigt, der in einer Kirche in Sicherheit gebracht werden musste. Erst dann konnte die Situation aufgeklärt werden. Alexander Martínez, einer der Vertreter der Karawane, sprach anschließend von einer Provokation, die von außen gegen die Menschen gerichtet worden sei. »Sie wurden geschickt, damit wir vor Mexiko und der Welt schlecht dastehen.«

Die mexikanischen Behörden versuchen derweil, die Migranten durch Hilfsprogramme von der Weiterreise abzuhalten und so Probleme mit dem mächtigen Nachbarn im Norden zu vermeiden. Mexikos scheidender Staatschef Enrique Peña Nieto stellte in der vergangenen Woche das Regierungsprogramm »Estás en tu casa« (Du bist zu Hause) vor. Durch dieses sollen Menschen aus Zentralamerika, die freiwillig im Süden Mexikos bleiben, medizinische Betreuung und befristete Arbeitsmöglichkeiten erhalten. Von den meisten Flüchtlingen wird das abgelehnt. Sie fordern Bewegungsfreiheit und wollen ihr Ziel nicht aufgeben, in die Vereinigten Staaten zu gelangen. US-Präsident Donald Trump will sie jedoch auf keinen Fall einreisen lassen und droht mit dem Einsatz des Militärs.

Erschienen am 30. Oktober 2018 in der Tageszeitung junge Welt