Land der Bücher – Die Verlagsproduktion in Kuba hat wieder den Stand der achtziger Jahre erreicht

»Diese Stadt, die 1949 so einfach zu verstehen war, hat mich verwirrt. Diesmal war ich unfähig, auch nur etwas zu verstehen.« Als Jean- Paul Sartre wenige Monate nach dem Sieg der Kubanischen Revolution Havanna besuchte, wich seine Verwirrung schnell offener Begeisterung für die Revolutionäre und ihren obersten Comandante, Fidel Castro: »Ich habe wenige Freunde. Deshalb lege ich großen Wert auf Freundschaft. Ich merkte, daß er (Fidel) einer von ihnen geworden ist. Aber ich wollte seine Zeit nicht damit verschwenden, es ihm zu sagen.«

Die Insel in der Karibik wurde zum Thema für Autoren, Schriftsteller, Literaten aus aller Welt. Literatur-Nobelpreisträger Gabriel García Márquez blieb nicht nur ein Freund Fidel Castros, sondern auch ständiger Beobachter, Begleiter und Kritiker der Revolution. Momentan soll er ein fertiges, aber noch nicht veröffentlichtes Buch über die Kubanische Revolution und die US-Blockade in der Schublade haben, berichtete im Mai sein Biograph Dasso Saldívar.

Doch Kuba war und ist nicht nur ein Stoff, aus dem Bücher sind, sondern auch ein Land der Bücher. Die erste Veröffentlichung eines Druckwerks auf der Insel, die damals noch spanische Kolonie war, datiert auf das Jahr 1608. Das Gedicht »Espejo de Paciencia« (Spiegel der Geduld) von Silvestre de Balboa erzählt die Geschichte der Entführung des Bischofs Juan de las Cabezas durch den französischen Korsaren Gilberto Girón und seine Befreiung durch den schwarzen Sklaven Salvador Golomon. Mit zahlreichen wissenschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen wurde jetzt an den 400. Jahrestag des Erscheinens dieses ersten Werks kubanischer Literatur erinnert.

Seit damals hat Kuba eine erstaunliche Anzahl von Literaten hervorgebracht, die weltweite Bedeutung erlangen konnten. Angefangen bei José Martí, der mit seinem Begriff von »Unserem Amerika« zu einem der Schöpfer lateinamerikanischer Identität wurde, über Alejo Carpentier, Nicolás Guillén und Miguel Barnet bis hin zum heutigen Präsidenten der angesehenen Kulturinstitution »Casa de las Américas«, Roberto Fernández Retamar, der 1971 mit seinem Essay »Calibán« der europäisch und nordamerikanisch geprägten Literatur die eigene Identität Lateinamerikas und der Karibik entgegensetzte.

Allein im vergangenen Jahr erschienen in Kuba mehr als 2 100 Titel, darunter ein Drittel Belletristik, fast 300 Werke über Bildung und Erziehung und mehr als 200 medizinische Bücher. Damit hat die Buchproduktion in Kuba wieder den Stand der 80er Jahre erreicht, nachdem in der schwersten Zeit der durch das Verschwinden des sozialistischen Lagers in Europa verursachten »Besonderen Periode« bis Mitte der 90er Jahre die Herausgabe neuer Bücher meist dem Mangel an Papier zum Opfer gefallen war. Nun liegt die Gesamtauflage aller 2007 in Kuba erschienenen Titel bei über 25 Millionen Exemplaren. 2006 hatte die Gesamtauflage sogar bei rund 40 Millionen Büchern gelegen.

Den absoluten Höhepunkt der kubanischen Buchproduktion in der letzten Zeit markiert jedoch das Jahr 2003, als über 86 Millionen Exemplare gedruckt wurden. In dieser Zahl enthalten sind die 29 Bände umfassenden Familienbibliotheken, die Kuba nach Venezuela schickte und dort allen kostenlos überreichte, die erfolgreich die Alphabetisierungskurse der »Mission Robinson« absolvierten. Mit kubanischer Hilfe und kubanischen Unterrichtsmethoden gelang es in dem südamerikanischen Staat, in kaum mehr als einem Jahr rund 1,1 Millionen Menschen Lesen und Schreiben beizubringen. Heute sind die kubanischen Lehrerinnen und Lehrer in Bolivien, Nicaragua, Ecuador und mehr als einem Dutzend weiterer Länder im Einsatz, um auch hier den Analphabetismus zu beseitigen. Dafür zeichnete 2006 die UNESCO das »Lateinamerikanische und Karibische Pädagogische Institut« in Havanna mit ihrem Alphabetisierungspreis aus.

Erschienen im November 2008 in der Informationsbroschüre des Büros Buchmesse Havanna zur Internationalen Buchmesse in Cuba im Februar 2009