Gegen Kasinos und Korruption

Gut zweieinhalb Jahre nach der Verabschiedung ihrer neuen Verfassung sind die Menschen in Ecuador am Sonnabend dazu aufgerufen, über eine Reihe von Änderungen des Grundgesetzes zu entscheiden. Zur Abstimmung stehen insgesamt zehn Fragen, die Präsident Rafael Correa eingereicht hat, um unter anderem die Justiz des südamerikanischen Landes zu reformieren. Dabei geht es unter anderem darum, eine Freilassung von Tatverdächtigen aus dem Gefängnis nach Überschreiten der Höchstdauer der Untersuchungshaft auszuschließen, »wenn der Verdächtige durch sein Verhalten selbst für die Verzögerung verantwortlich ist«. Das Justizsystem müsse von der Korruption der Richter befreit werden, die einen Verbrecher in kürzerer Zeit wieder auf freien Fuß setzten, als die Polizei zu dessen Festnahme brauche, hatte Correa zum Wahlkampfauftakt gefordert.

Mit einer weiteren Verfassungsänderung soll künftig die Beteiligung von Banken an Massenmedien und umgekehrt ausgeschlossen werden, um eine Verflechtung zwischen diesen beiden Wirtschaftsbereichen auszuschließen. Verboten werden sollen künftig auch öffentliche Veranstaltungen, bei denen Tiere getötet werden. Unklar ist allerdings, ob dies ein komplettes Verbot von Stier- und Hahnenkämpfen beinhaltet, wie Tierschützer hoffen. Auch das Glücksspiel steht auf der Verbotsliste des Referendums. »Ich unterstütze ohne jede Diskussion, daß sich Ecuador zu einem von Kasinos befreiten Land erklärt«, sagte Ecuadors Tourismusminister Freddy Ehlers, der auch auf das Beispiel der USA verwies, wo in den meisten Bundesstaaten die Eröffnung von Spielhallen verboten sei. Der staatlichen Nachrichtenagentur ANDES zufolge gelten derzeit 12,7 Prozent der Menschen in Ecuador als spielsüchtig, obwohl nur 55 von fast 18000 touristischen Einrichtungen Kasinos und Spielhallen seien.

Die letzten Umfragen lassen einen klaren Erfolg der Regierung erwarten. Das Meinungsforschungsinstitut Santiago Pérez (SP) geht von mehr als 60 Prozent Zustimmung für die zehn Fragen aus. Konkurrent CMS ermittelte zwar nur 45 Prozent Ja-Stimmen, jedoch ebenfalls einen deutlichen Vorsprung gegenüber der Ablehnung. Lediglich die Zahl derjenigen, die leere Stimmzettel abgeben wollen, sei gestiegen. In Ecuador herrscht Wahlpflicht, eine Nichtteilnahme wird mit einer Geldstrafe in Höhe von 26,40 Dollar geahndet, was zehn Prozent des Mindestlohns entspricht.

Einer der bekanntesten Widersacher von Staatschef Correa, der frühere Energieminister und Präsident der verfassunggebenden Versammlung Alberto Acosta, sprach sich zwar für einen Sieg des »Nein« bei der Abstimmung aus, forderte zugleich jedoch, auch ein anderes Ergebnis zu akzeptieren. »Wenn das Ja gewinnt, müssen diese Stimmen akzeptiert werden«, warnte er die Opposition vor Manipulationsversuchen. Er selbst hatte sich im Wahlkampf, der am Mittwoch offiziell zu Ende ging, für die Kampagne »Diesmal Nein« engagiert, die von der Partei Pachakutik, dem politischen Arm der Indígena-Organisation CONAIE, und der maoistisch dominierten Demokratischen Volksbewegung (MPD) getragen worden war. Deren Vorwürfen, Ecuador entwickele sich zu einem autokratischen System, widersprach er jedoch: »Das würde ich nicht sagen. Weder beginnt das Land am 7. Mai noch endet es. Es ist ein weiteres Kapitel einer Geschichte, die lange vor Präsident Correa begonnen hat.«

Neben der Regierungspartei PAIS unterstützt auch die kleine Kommunistische Partei Ecuadors (PCE) die Kampagne für die Verfassungsänderungen. Auf ihren Plakaten heißt es »Ja zur Radikalisierung des Prozesses – Gegen die Ausbeutung, für die Demokratisierung der Medien, Schluß mit der Korruption in der Justiz!«

Erschienen am 6. Mai 2011 in der Tageszeitung junge Welt