Frieden für Kolumbien

Nach wochenlangen Geheimgesprächen in der kubanischen Hauptstadt Havanna haben sich die kolumbianische Regierung und die FARC-Guerilla auf die Aufnahme offizieller Friedensverhandlungen geeinigt. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos bestätigte in der Nacht zum Dienstag einen entsprechenden Bericht des lateinamerikanischen Fernsehsenders TeleSur. Es habe »Sondierungsgespräche« gegeben, sagte der Staatschef in einem knappen Statement. Nähere Angaben zu den Ergebnissen werde man »in den nächsten Tagen« veröffentlichen.

TeleSur hatte zuvor unter Berufung auf »absolut zuverlässige Quellen« berichtet, hochrangige Abgesandte der Regierung und der Rebellen hätten seit Mai durch Vermittlung Kubas, Venezuelas und Norwegens in Havanna über die Aufnahme offizieller Gespräche verhandelt. Von seiten der FARC nahm demnach unter anderem der Comandante Mauricio Jaramillo, ein Mitglied des siebenköpfigen Sekretariats des Guerilla-Oberkommandos, an den Gesprächen teil. Bogotá sei unter anderem durch Umweltminister Frank Pearl und durch Enrique Santos Calderón, einen Bruder des Staatschefs, vertreten gewesen. Die Parteien hätten vereinbart, die Verhandlungen im Oktober offiziell in der norwegischen Hauptstadt Oslo zu eröffnen, um sie dann in Havanna fortzusetzen. Angestrebt werde, den Verhandlungstisch nicht vor Erreichen eines Friedensabkommens zu verlassen.

Die Initiative für die Gespräche geht offenbar auf den im November 2011 ermordeten Alfonso Cano zurück. Der damalige oberste Comandante der FARC hatte im August 2011 in einem von der alternativen Nachrichtenagentur ANNCOL verbreiteten Video zu einer politischen Lösung aufgerufen, um den seit Jahrzehnten anhaltenden Bürgerkrieg zu beenden. Auch nach dem Tod Canos hatte die Guerilla ihre Bereitschaft zu Gesprächen wiederholt, so in einem am 19. April veröffentlichten Kommuniqué. Zu dem jetzt vermeldeten Durchbruch äußerten sich die FARC zunächst nicht.

Am Dienstag meldete der regierungsnahe kolumbianische Rundfunksender RCN, die offizielle Eröffnung der Verhandlungen werde am 5. Oktober in Oslo stattfinden. Auch die USA seien über die Verhandlungen informiert und würden diese unterstützen, »aber sie werden sich nicht äußern, weil bei ihnen gewählt wird und weil die Gespräche in Kuba stattfinden«.

Die Kolumbianische Kommunistische Partei (PCC) begrüßte in einer Erklärung die Friedensverhandlungen als »großen Schritt«, kritisierte jedoch die Ankündigung Santos’, alle Militäroperationen uneingeschränkt fortzusetzen. »Es ist besorgniserregend, daß dieser Prozeß inmitten von Gefechten, Luftangriffen, der extremen Militarisierung des Landes und des Fortbestehens der paramilitärischen Aufstandsbekämpfung ablaufen soll«, so die Partei, deren Mitglieder selbst immer wieder Ziel der rechtsextremen Todesschwadronen geworden sind. Die kolumbianische Linke dürfe nicht auf einer passiven Zuschauerposition verharren, sondern müsse aktiv eingreifen. Nötig seien »neue Ebenen des politischen Kampfes und die Einheit der Linken«.

Santos’ Amtsvorgänger Álvaro Uribe reagierte mit scharfer Kritik auf die angekündigten Verhandlungen. Sein Nachfolger habe »Chávez’ Komplizenschaft mit der Guerilla legitimiert«. Der venezolanische Präsident könne nun im Wahlkampf als Friedensengel auftrumpfen, der »die Kolumbianer an einen Tisch gesetzt« habe.

Erschienen am 29. August 2012 in der Tageszeitung junge Welt