Der Feind im Weißen Haus

David Navarro, der Chefberater des neuen US-Präsidenten Donald Trump, hat Deutschland vorgeworfen, die USA und die Mitgliedstaaten der EU »auszubeuten«. Die Bundesrepublik profitiere in ihren Handelsbeziehungen von einer »extrem unterbewerteten ›impliziten Deutschen Mark‹«, sagte Navarro am Dienstag der Financial Times.

Wo er recht hat, hat er recht, auch wenn ihn nicht die Drangsalierung Griechenlands und anderer südeuropäischer Staaten durch Berlin stört. Der deutsche Überschuss im Warenhandel und Kapitalverkehr mit dem Ausland ist nach jüngsten Berechnungen des Ifo-Instituts 2016 auf ein Rekordniveau von knapp 300 Milliarden Dollar gestiegen. Der Überschuss in Höhe von 8,6 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt weit über der von der EU vorgegebenen Grenze von sechs Prozent. Merkel bekräftigte umgehend, an der Währungspolitik nichts ändern zu wollen. »Deutschland ist ein Land, das immer dafür geworben hat, dass die Europäische Zentralbank eine unabhängige Politik macht, so wie das auch die Bundesbank gemacht hat, als es noch keinen Euro gab«, sagte sie am Dienstag in Stockholm.

Navarro hatte Berlin auch als »Haupthindernis« für den Abschluss von Handelsabkommen wie TTIP ausgemacht. Deutschland verfolge seine eigenen Interessen, echauffierte er sich. Dabei war es Trump, der unmittelbar nach seinem Amtsantritt per Dekret den Rückzug der USA aus dem transpazifischen TPP angeordnet und Neuverhandlungen beim nordamerikanischen Freihandelsvertrag NAFTA verlangt hatte.

Donald Trump ist ein gnadenloser Populist, der in alle Richtungen austeilt und zugleich um Anerkennung buhlt. »Ich hoffe, euch gefällt meine Ernennung von Neil Gorsuch zum Richter des U.S. Supreme Court. Er ist ein guter und brillanter, von allen respektierter Mann«, verkündete er am Dienstag (Ortszeit) über sein Lieblingsmedium Twitter die Besetzung des seit Februar 2016 freien Postens im Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. In den vergangenen Monaten hatten die Republikaner die Vervollständigung des Richtergremiums mit allerlei Verfahrenstricks bis nach der Präsidentschaftswahl verzögert und so verhindert, dass Trumps Vorgänger Barack Obama einen seiner Favoriten durchsetzen konnte. Da die Richter des Supreme Court auf Lebenszeit ernannt werden, bestimmen die Nominierungen oft auf Jahrzehnte die Richtung der Entscheidungen des Obersten Gerichts. Gorsuch lässt in dieser Hinsicht nichts Gutes erwarten. Im Bundesberufungsgericht, dem er bisher angehörte, urteilte er im Widerspruch zu Obamas Gesundheitsreform, dass Unternehmer nicht für Verhütungsmittel ihrer Beschäftigten aufkommen müssen, wenn dies ihren »religiösen Überzeugungen« widerspreche. Der Sprecher der Demokraten im Senat, Charles »Chuck« Schumer, kündigte bereits Widerstand gegen Gorsuch an, bei dem es »sehr ernsthafte Zweifel« gebe, dass er sich innerhalb des »juristischen Mainstreams« bewege. Vor zehn Jahren hatte das die Demokraten allerdings nicht daran gehindert, ihn zum Bundesberufungsrichter zu machen.

Tatsächlich versuchen die Demokraten, die in beiden Kammern des Kongresses in der Minderheit sind, Trump so das Regieren zu erschweren, wie es die Republikaner in den vergangenen Jahren gegen Obama vorgemacht haben. Trumps Pressesprecher Sean Spicer sprach am Dienstag bereits von einem »Rekord«, weil aktuell 16 Kandidaten für Führungsposten von Regierungsstellen auf ihre Bestätigung durch den Kongress warteten. Auch Trump fühlt sich von der Oppositionspartei provoziert. »Sie sollten sich schämen. Kein Wunder, dass Washington nicht funktioniert«, twitterte er am Montag (Ortszeit). Kurz zuvor hatte er sich bereits über eine Protestaktion lustig gemacht: »Nancy Pelosi und Falsche-Tränen-Chuck Schumer haben eine Kundgebung auf den Stufen des Supreme Court durchgeführt, und ihr Mikrophon funktionierte nicht – genauso wie die Demokratische Partei!«

Kritik an den prominenten Demokraten gibt es jedoch auch von links. Bhaskar Sunkara, Chef des linken US-Magazins Jacobin, forderte am Dienstag in einem Kommentar für den britischen Guardian, die Widerstandsbewegung müsse breit sein, dürfe »ihre Wut und Energie aber nicht nur gegen den Feind im Weißen Haus« richten. Sie müsse sich auch gegen »Generationen unpopulärer Führer der Demokratischen Partei« stellen, die Trumps Machtantritt erst ermöglicht hätten. »Die Alternative muss von unten kommen. Proteste wie der Frauenmarsch sind sicherlich ein inspirierender Anfang. Nun ist es entscheidend, dass wir wissen, wofür und wogegen diese breite Bewegung steht.«

Kritische Medien sind für Donald Trump die »eigentliche Oppositionspartei«, wie es sein Chefstratege Stephen Bannon formulierte. Mit ihnen befinde er sich im »Krieg«, erklärte er am 21. Januar während seines Besuchs beim Geheimdienst CIA – als Reaktion auf die Berichterstattung der Journalisten über seine Amtseinführung am Vortag. Auch am vergangenen Wochenende attackierte der Staatschef die New York Times und die Washington Post wegen ihrer »falschen und wütenden« Berichterstattung über ihn. Die Times habe sich deshalb bereits »bei ihren weniger werdenden Abonnenten und Lesern entschuldigt«, behauptete der Staatschef. Davon weiß dort allerdings niemand etwas. Vielmehr hatte die New York Times ihren Abonnenten schon Ende vergangenen Jahres in einem Brief für ihre Unterstützung gegen Trumps Angriffe auf die Medien gedankt.

Tatsächlich stehen einige »etablierte« Zeitungen und Fernsehsender den Machenschaften des neuen Staatschefs distanziert gegenüber – womit diese auch auf die von Trump schon im Wahlkampf demonstrierte Geringschätzung der Journalisten reagieren. Der neue Präsident stützt sich lieber auf »konservative« Blogs und Newsportale, die seine Weltsicht bestätigen.

Am 20. Januar, dem Tag der Amtseinführung Trumps, wurden in Washington sechs Journalisten festgenommen, die über die Proteste gegen den neuen Staatschef berichten wollten. Die Anklage gegen sie lautete auf »Rioting« (Landfriedensbruch). Erst am Freitag und Montag zog die Generalbundesanwaltschaft die Vorwürfe aufgrund »neuer Erkenntnisse« zurück – kurz bevor Trump deren kommissarische Chefin Sally Yates entließ, weil sie sich gegen das Dekret gestellt hatte, mit dem er Einreiseverbote für Flüchtlinge und Bürger aus sieben vorwiegend muslimischen Ländern verhängt hatte. Die Verhaftung der Journalisten, zu denen auch ein Korrespondent des russischen Senders RT gehörte, war in Moskau scharf verurteilt worden. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, nannte das Vorgehen der Behörden am 27. Januar »unerhört und unzulässig«.

Alarmiert reagierte der Deutsche Journalistenverband (DJV) auf Berichte, wonach ausländische Besucher der USA offenlegen müssten, unter welchen Namen sie bei Facebook, Google plus und Twitter aktiv sind. Die bislang freiwillige Angabe in den Einreiseunterlagen sei seit dem vergangenen Wochenende Pflicht. »Das riecht nach Einschüchterung«, kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Dienstag. Offenbar wolle die neue US-Regierung genau wissen, welche politische Einstellung die Gäste des Landes hätten. Das gelte insbesondere für Journalistinnen und Journalisten, die ihre Haltung in Blogs und Postings deutlich machten.(scha)

Erschienen am 2. Februar 2017 in der Tageszeitung junge Welt