Zweitverwerter des Tages: Bild

So ein Ärger aber auch. Da haben die europäischen Qualitätsmedien monate- und jahrelang den bösen russischen Medien abgesprochen, journalistische Produkte zu sein – und dann sind sie plötzlich auf gerade diese angewiesen. Denn die Teams des Fernsehsenders RT bzw. seines Ablegers Ruptly waren die einzigen, die in London auf alles vorbereitet waren, als britische Polizisten am Donnerstag die Botschaft Ecuadors betraten und Julian Assange aus der diplomatischen Vertretung zerrten.

Schon als vor Tagen die ersten Gerüchte über eine Auslieferung des Whistleblowers aufgekommen waren, hatten die russischen Journalisten ihre Kameras vor der Botschaft aufgebaut. So hatte nur Ruptly bewegte Bilder davon, wie Assange von den Uniformierten in einen Gefangenentransporter gebracht wurde – und man ließ sich die Verwertungsrechte ordentlich bezahlen. Auch die Verbreitung von Standbildern wurde anderen Medien nur gegen Rechnung erlaubt.

Von BBC bis ZDF war man für die Fernsehnachrichten aber auf bewegte Bilder angewiesen, und so dürfte der eine oder andere Euro in die Kasse von Ruptly geflossen sein.

Bei Bild.de allerdings hielt man sich mal wieder für besonders schlau und schnitt einfach das Ruptly-Logo aus dem Bildschirmfoto. Und darunter fand sich das Wort »­Quelle: …« Ohne Angabe derselben. Die wurde einfach mal »vergessen«, wie die unermüdlichen Medienkritiker von Bildblog noch am Donnerstag nachmittag anmerkten. Dabei hatte Ruptly ausdrücklich festgelegt, dass Onlinemedien das Logo nicht entfernen dürfen. Klaut Bild? Oder hat man selbst Geld an die Russen überwiesen? Das kann ja wohl nicht sein. Noch im Januar hatte sich Bild schließlich darüber empört, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender indirekt auf die technischen Dienste von Ruptly zurückgegriffen hatte: »ZDF hat kein Problem mit Kreml-Partner«.

Erschienen am 13. April 2019 in der Tageszeitung junge Welt