Zweite Geburt

Als »zweite Geburt des Bündnisses« hat Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández am Dienstag zum Abschluß des Gipfeltreffens des Gemeinsamen Südamerikanischen Marktes (MERCOSUR) die Unterzeichnung eines Zollabkommens zwischen den Mitgliedsstaaten gefeiert. Tatsächlich gilt das Zustandekommen dieser Vereinbarung als eine faustdicke Überraschung, nachdem die Außenminister des Blocks am Montag die noch bestehenden Differenzen bei den Verhandlungen nicht hatten ausräumen können. Anschließend zeigte sich auch Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva enthusiastisch und feierte die Veranstaltung als »das beste Treffen der letzten 15 Jahre«. Enttäuscht zeigte sich der Brasilianer, der von seiner argentinischen Amtskollegin den Vorsitz des MERCOSUR übernahm, dagegen von den schleppenden Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen. Vor allem Frankreich sei dafür verantwortlich, daß die erst im Juni nach sechsjähriger Unterbrechung wieder aufgenommenen Gespräche nicht vorankommen, kritisierte Lula. Haupthindernis ist offenbar die Weigerung der Regierung in Paris, die Lebensmittelsubventionen für die eigene Landwirtschaft zu reduzieren.

Als ein weiterer Stolperstein könnte sich der jahrzehntealte Konflikt zwischen Argentinien und Großbritannien um die von London beherrschten Malwinen (Falklandinseln) herausstellen. Die in der westargentinischen Stadt San Juan zusammengekommenen Staatschefs unterstrichen in der Abschlußerklärung des Treffens erneut ihre Unterstützung für die »legitimen Rechte Argentiniens« an der 600 Kilometer vor der Küste des Landes gelegenen Inselgruppe. Insbesondere verurteilten sie, daß die Inseln von der EU im Lissabon-Vertrag ausdrücklich als assoziierte Überseegebiete der Union definiert wurden. Das sei vor dem Hintergrund des Konflikts um die Inselgruppe nicht hinnehmbar, heißt es in der MERCOSUR-Erklärung.

Nur am Rande gingen die Regierungschefs von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sowie die als als Gäste angereisten Präsidenten Evo Morales aus Bolivien und Sebastián Piñera aus Chile auf den Konflikt zwischen Kolumbien und Venezuela ein. Der venezolanische Präsident Hugo Chávez hatte seine Teilnahme aus Gesundheitsgründen kurzfristig abgesagt und seinen Außenminister Nicolás Maduro nach San Juan entsandt. In der Abschlußerklärung heißt es nun, der Kampf gegen den »Terrorismus in allen seinen Formen« sowie gegen das »transnational organisierte Verbrechen« müsse verstärkt werden. Allerdings müsse der Kampf gegen diese »Geißel« in Übereinstimmung mit den nationalen Gesetzen und dem Völkerrecht erfolgen und setze den vollen Respekt für die Souveränität und Integrität der Staaten voraus. Damit warnen die MERCOSUR-Staaten diplomatisch verklausuliert vor einem erneuten militärischen Überfall Kolumbiens auf seine Nachbarländer. Im März 2008 waren kolumbianische Truppen in Ecuador eingedrungen und hatten dort ein Lager der FARC-Guerilla überfallen. Seit diesem Angriff liegen die Beziehungen zwischen Bogotá und Quito auf Eis. Erst am Dienstag beantragte der ecuadorianische Staatsanwalt Carlos Jiménez beim zuständigen Gericht die Auslieferung des künftigen kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos, der zum Zeitpunkt des Überfalls Verteidigungsminister seines Landes gewesen war. Die endgültige Entscheidung, ob Ecuador beim Nachbarland offiziell die Auslieferung Santos’ beantragt, liegt nun beim Nationalen Gerichtshof in Quito.

Erschienen am 5. August 2010 in der Tageszeitung junge Welt und am 6. August 2010 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek