Zwei Wege

Die rechte Regierungspartei »de la U« und ihr Kandidat Juan Manuel Santos sind die klaren Gewinner der ersten Runde bei der Präsidentschaftswahl in Kolumbien. Obwohl zuletzt alle Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem früheren Verteidigungsminister Santos und dem Kandidaten der Grünen Partei, Antanas Mockus, prognostiziert hatten, fiel das Ergebnis letztlich eindeutig aus. Mit 46,56 Prozent kratzte Santos sogar an der absoluten Mehrheit der Wählerstimmen, was seinen direkten Wahlsieg bedeutet hätte. Nun muß er sich aber doch wie erwartet in einer Stichwahl am 20. Juni mit dem Zweitplazierten Mockus messen. Dieser blieb mit 21,49 Prozent deutlich hinter den Prognosen zurück. Auf dem dritten Platz folgte der Chef der Mitte-Rechts-Partei »Radikaler Wandel«, Germán Vargas Lleras, mit 10,13 Prozent, gefolgt vom Vertreter des linken Demokratischen Alternativen Pols (PDA), Gustavo Petro, der mit 9,15 Prozent etwas besser abschnitt, als zuvor erwartet worden war.

Die Kommentatoren der kolumbianischen Medien führen das relativ schwache Abschneiden von Mockus darauf zurück, daß die erst im vergangenen Jahr in dieser Form gegründete Grüne Partei mit ihrer plötzlichen Favoritenrolle nicht zurechtgekommen sei und es ihr an politischer Organisation gefehlt habe. Hinzu sei die »schwarze Kampagne« gekommen, gegen Mockus gezielt Gerüchte in Umlauf zu bringen, sagte die Kolumnistin María Jimena Dussan im Rundfunksender Caracol. Der Politologe Rafael Nieto seinerseits verwies auf die widersprüchlichen und schwammigen Aussagen von Mockus im Wahlkampf.

Die großen Verlierer sind jedoch die traditionellen Parteien Kolumbiens. Rafael Pardo von der Liberalen Partei und Noemí Sanín von den Konservativen kamen über den fünften und sechsten Platz nicht hinaus und vereinten jeweils weniger als eine Million Stimmen auf sich.

Trotz des großen Abstands zum führenden Santos will Mockus das Rennen um die Präsidentschaft in dem bürgerkriegsgeschüttelten Land nicht aufgeben. Noch am Wahlabend lobte er die unterlegenen Kandidaten, die er »bewundere«. So habe Vargas aufgrund seiner langen Erfahrungen als Parlamentarier konkrete Vorschläge gemacht, die »nützliche Werkzeuge« sein könnten. Vom Linken Gustavo Petro trennten ihn zwar ideologische Differenzen, man sei sich jedoch einig in dem Ziel, die politische und ökonomische Macht für die Bürger Kolumbiens zurückzugewinnen und den Opfern von Vertreibungen ihre Ländereien zurückzugeben. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation CODHES wurden allein im vergangenen Jahr mehr als 286000 Menschen von ihrem Grund und Boden vertrieben, vor allem indigene und afrikanischstämmige Gemeinschaften sowie Kleinbauern. Die Regierung des scheidenden Präsidenten Álvaro Uribe lehnte es im vergangenen Jahr ab, einen Gesetzentwurf zur Entschädigung für Opfer zu unterstützen.

Mit Blick auf die bevorstehende Stichwahl erklärte Mockus: »Dr. Santos hat in vielfältiger Weise gezeigt, daß er davon überzeugt ist, der Zweck heilige die Mittel. Außerdem wird er von einer politischen Klasse unterstützt, deren Haltung das Vertrauen in die Institutionen geschwächt hat. Wir beide haben unterschiedliche Einschätzungen unserer Realität. Unsere Vorschläge für das Land gehen weit auseinander. Die Kolumbianer werden am 20. Juni zwischen zwei Wegen wählen: den, weiter auf Ergebnisse zu setzen, ohne daß die dafür eingesetzten Mittel eine Rolle spielen, oder den, Ergebnisse zu erzielen, ohne dafür ethische Prinzipien und die Legalität zu opfern. Wir wollen gewinnen, aber nicht um jeden Preis.«

Gustavo Petro vermied jedoch, noch am Wahlabend zu einer Wahl von Mockus aufzurufen und verwies auf die internen Beratungen der Führungsgremien seines Linksbündnisses. Noch vor Schließung der Wahllokale hatte der PDA – ebenso wie die unabhängigen Wahlbeobachter – Informationen über Wahlbetrug in verschiedenen Regionen des Landes veröffentlicht. So seien Wählern 20000 Pesos (gut acht Euro) geboten worden, wenn sie für Santos stimmen. In Kolumbien ist die geheime Stimmabgabe nicht zwingend vorgeschrieben, so daß sowohl Santos als auch mehrere der unterlegenen Kandidaten ihre ausgefüllten Stimmzettel in die Kameras hielten, bevor sie diese in die Wahlurnen warfen.

Erschienen am 1. Juni 2010 in der Tageszeitung junge Welt