Venezuelas Hauptstadt Caracas wird am 1. Mai ganz im Zeichen des Feiertags der Arbeiterklasse stehen. Die Vizechefin des regierungsnahen Gewerkschaftsbundes CBST, Eglé Sánchez, rechnet mit nicht weniger als zwei Millionen Menschen, die bei der von ihrer Organisation veranstalteten Großdemonstration in drei Marschsäulen zur zentralen Avenida Bolívar marschieren werden. »Wir werden zeigen, daß die Revolution mit einer Armee von Männern und Frauen rechnen kann«, kündigte Sánchez an. Demgegenüber wollen oppositionelle Gruppen und Gewerkschaften mit einer eigenen Demonstration eine allgemeine Lohnerhöhung um 70 Prozent fordern. Bei ihrer dazu veranstalteten Pressekonferenz kam es am vergangenen Donnerstag zu einer bizarren Allianz zwischen der rechtssozialdemokratischen, in den Putsch 2002 verwickelten CTV und dem ursprünglich als linker Alternative zu ihr gegründeten Gewerkschaftsbund UNETE. Dessen Führung hatte sich in den vergangenen Wochen gegen den Widerstand ihres linken Flügels immer mehr der rechten Opposition angenähert.
Pedro Eusse, Koordinator der marxistischen Gewerkschaftsströmung CCT, forderte eine Kurskorrektur der UNETE. Das Bündnis »mit der an der Seite des Faschismus stehenden Rechten« entspreche nicht den Beschlüssen der Nationalleitung. Eine einzelne der innerhalb der Organisation konkurrierenden Strömungen habe »die UNETE an die Seite von Gewerkschaften gestellt, die dafür eintreten, Venezuela wieder zu einer Neokolonie der Vereinigten Staaten zu machen«, kritisierte Eusse vor allem die als Nationalkoordinatorin auftretende Marcela Máspero. Er wird gemeinsam mit der CCT und der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV), deren Politbüro er angehört, an der Großdemonstration zur Unterstützung des revolutionären Prozesses in Venezuela teilnehmen. Dabei wollen die Kommunisten einerseits für eine andere Finanz- und Arbeitsmarktpolitik demonstrieren, andererseits aber »harte Hand« gegen die Putschisten fordern. Die anhaltenden Proteste in dem südamerikanischen Land, die offiziellen Angaben zufolge seit Mitte Februar 41 Menschenleben gefordert haben, bewertet die PCV als versuchten Staatsstreich gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro.
In diesen sind nach Informationen des Journalisten José Vicente Rangel mehr hochrangige Militärs verwickelt, als bislang bekannt gewesen ist. In seiner wöchentlichen Fernsehsendung »José Vicente Hoy«, die der Privatsender Televen jeden Sonntag ausstrahlt, berichtete er, daß gegen 30 Offiziere ermittelt werde, einige seien bereits inhaftiert. Sie hätten sich »an den Vorbereitungen auf ein zweifellos zum Scheitern verurteiltes Abenteuer« beteiligt. Daran seien auch bekannte Führer der Opposition beteiligt, erklärte Rangel, der ein intimer Kenner der venezolanischen Politik ist. Er selbst war unter Maduros Vorgänger Hugo Chávez Verteidigungs-, Innen- und Außenminister sowie Vizepräsident. Nun wirft er namentlich nicht genannten Politikern vor, sich einerseits an der demokratischen Debatte zu beteiligen, andererseits aber Offiziere zum Aufstand gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzustacheln. Zuletzt hatte Maduro Ende März über die Festnahme von drei Luftwaffengenerälen berichtet, die in Umsturzpläne verwickelt sein sollen.
Erschienen am 30. April 2014 in der Tageszeitung junge Welt