Zusammenstöße in Caracas

In Caracas haben sich am Dienstag (Ortszeit) Anhänger und Gegner der Regierung Venezuelas ein Kräftemessen geliefert. Tausende Unterstützer von Staatschef Nicolás Maduro versammelten sich nahe des Präsidentenpalastes Miraflores im Zentrum der Hauptstadt, um gegen die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu protestieren. Diese hatte am Montag (Ortszeit) eine Resolution verabschiedet, in der eine »verfassungswidrige Verletzung der demokratischen Ordnung« in Venezuela angeprangert wurde. Der Vizechef der Regierungspartei PSUV, Diosdado Cabello, warf der OAS und der rechten Opposition vor, einen Staatsstreich zu inszenieren. Das werde jedoch nicht gelingen, die Oligarchie werde niemals wieder einen Fuß in Miraflores setzen.

Zeitgleich zu dieser Demonstration zogen Regierungsgegner aus dem Osten der Metropole zum Parlamentsgebäude. Sie forderten die Absetzung der Richter des Obersten Gerichtshofes (TSJ). Darüber wollten die Abgeordneten der Nationalversammlung, in der die Opposition über die Mehrheit verfügt, am gestrigen Mittwoch abstimmen. Tatsächlich dürfte dieses Votum keine Folgen haben, denn für eine Absetzung der Richter reicht entsprechend der Verfassung eine einfache Parlamentsabstimmung nicht aus. Zudem hat der TSJ schon vor Monaten erklärt, dass alle Beschlüsse des Parlaments »null und nichtig« sind, solange drei Abgeordnete an den Sitzungen teilnehmen, deren Mandat nach Wahlanfechtungen suspendiert wurde.

Einheiten der Nationalgarde verhinderten am Dienstag mit einem Großaufgebot, dass chavistische und oppositionelle Demonstranten aufeinanderstoßen konnten. Als Regierungsgegner versuchten, gewaltsam die Sperren zu durchbrechen, setzten die Beamten Tränengas ein und drängten sie zurück. Sprecher der Opposition sprachen anschließend von mehr als 50 Verletzten. »Diese Unterdrückung ist der klare Beweis, dass in Venezuela ein Staatsstreich stattfindet«, erklärte Parlamentspräsident Julio Borges von der Rechtspartei Primero Justicia, die unter anderem von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt wird. OAS-Generalsekretär Luis Almagro verurteilte die »brutale Unterdrückung einer friedlichen Demonstration«.

Venezuelas Innenminister Néstor Reverol stellte sich dagegen hinter die Sicherheitskräfte und beglückwünschte sie ausdrücklich zu ihrer »mutigen und beispielhaften« Haltung, mit der sie die Provokationen von Teilen der rechten Opposition vereitelt hätten. Dem Gouverneur des an Caracas angrenzenden Bundesstaates Miranda und früheren Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Henrique Capriles Radonski, warf Reverol vor, durch die Sperrung der Francisco-Fajardo-Stadtautobahn für die Oppositionskundgebung das Leben und die Gesundheit der Einwohner gefährdet zu haben, weil Krankenwagen nicht mehr passieren konnten.

Erschienen am 6. April 2017 in der Tageszeitung junge Welt