Zurück zu Franco

Mit einer Strafanzeige bei der für Vergehen gegen Minderjährige zuständigen spanischen Staatsanwaltschaft hat die Vereinigte Linke Valencias (EUPV) auf die Übergriffe der Polizei gegen demonstrierende Schüler reagiert. »Was in Valencia passiert, erinnert uns zu sehr an den Franquismus und die Verfolgung der gegen die Diktatur gerichteten Studentenrevolten«, erklärt die 1951 geborene Juristin und ­EUPV-Chefin Marga Sanz. In ihrem am Montag bei der Anklagebehörde eingegangenen Schriftsatz bezieht sich die Politikerin zunächst nur auf die Ereignisse am vergangenen Donnerstag und Freitag, als die Polizei erstmals gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgegangen war (jW berichtete). Gegen die am Montag erneut erfolgten Attacken richteten sich am Dienstag eine Kundgebung in Valencia und Solidaritätsaktionen in anderen Städten Spaniens, etwa in Alicante und Madrid. Die Teilnehmer sollten in Weiß gekleidet und mit einem Buch »bewaffnet« erscheinen, um für das Recht auf Bildung und gegen die Unterdrückung zu demonstrieren.

Ausgelöst wurden die Auseinandersetzungen, als mehrere hundert Schüler des Instituts Lluís Vives am vergangenen Donnerstag spontan dagegen protestierten, daß trotz Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt in ihrer Schule die Heizung abgestellt blieb, weil die Regionalregierung die Rechnung nicht bezahlt hatte. Die Jugendlichen hatten dem Unterricht in Wintermänteln folgen müssen. Gegen ihren völlig gewaltfreien Protest war die Polizei hart vorgegangen und hatte die Minderjährigen teilweise über mehrere Stunden festgehalten, wie Sanz in ihrer Klageschrift unter Berufung auf namentlich genannte Zeugen anprangert.

In der Tageszeitung El Periódico erinnerte die EUPV-Parlamentsabgeordnete Marina Albiol am Dienstag an die generell dramatische Lage des öffentlichen Dienstes in der autonomen Region Valencia: »Schulen und Bildungsinstitute ohne Mittel, um die Schüler angemessen zu betreuen; unendliche Wartelisten in den Gesundheitseinrichtungen; Tausende Angestellte ohne die ihnen zustehenden Leistungen. Die Antwort, die die Regierung gibt, wenn die Bürger Verbesserungen einfordern, sind Hetzjagden durch die Polizei.« Während die Demokratie in Valencia bereits am Boden liege, versuche die Rechte, ihre Positionen weiter auszubauen. Als Beispiele nannte Albiol weitere von der Regionalregierung Generalitat geplante Kürzungen, die von Madrid betriebene »Arbeitsmarktreform«, und die »Perversion des Justizsystems«. Damit spielte sie unter anderem auf die jüngste Verurteilung des Richters Baltasar Garzón an, dem Korruptionsermittlungen gegen PP-Politiker zum Verhängnis wurden. Auch gegen mehrere Mitglieder der Generalitat stehen Vorwürfe der Bestechlichkeit im Raum. »Sie haben das Geld, die Macht und ein ganzes, gut ausgebautes System zur Verteidigung ihrer Interessen«, so Albiol.

Neben dem juristischen Vorgehen fordert die valencianische Linke auch den Rücktritt von Paula Sánchez de León, die als Regierungsdelegierte das Kabinett von Ministerpräsident Mariano Rajoy in Valencia vertritt. Diese hatte das Agieren der Polizei ausdrücklich verteidigt, weil die Demonstrationen der Jugendlichen nicht von den Behörden genehmigt worden seien. Damit habe Sánchez de León den Umgang mit den Problemen der Jugendlichen an die Polizei abgegeben, kritisierte Sanz. Die ebenso wie die Zentralregierung in Madrid von der rechten Volkspartei (PP) getragene valencianische Regionalregierung Generalitat wollte auf jW-Nachfrage keine Stellungnahme abgeben.

Demgegenüber stellt sich die »Vereinigte Polizeigewerkschaft« (SUP) offen hinter ihre valencianischen Kollegen. Die Jugendlichen hätten ihre Demonstration und die damit verbundenen Verkehrsbehinderungen nicht angekündigt. Darauf habe die Polizei »logisch« reagiert und durch eine Postenkette die Schüler »beschützt«, damit diese »nicht von einem unaufmerksamen Autofahrer erfaßt« würden. Den zahlreichen Augenzeugen, die im Internet Fotos und Videoaufnahmen von den Übergriffen der Beamten veröffentlicht hatten, warf die SUP vor, die Methoden von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels übernommen zu haben: »Die Wiederholung einer Falschmeldung kann dazu führen, daß viele glauben, es sei die Wahrheit.«

Erschienen am 22. Februar 2012 in der Tageszeitung junge Welt