Zu viel Musik

Mit Musik kann man keine politische Botschaft verbreiten. Das jedenfalls ist offenbar die Auffassung der Augsburger Versammlungsbehörde. Diese wollte mit entsprechenden Auflagen durchsetzen, dass eine am Freitag abend von einem Bündnis verschiedener Jugendorganisation auf dem Rathausplatz angemeldete Kundgebung gegen den am Samstag beginnenden Bundesparteitag der AfD nicht nur aus Musik, sondern vor allem aus Wortbeiträgen bestehen müsse. Hunderte vor allem junge Menschen hatten sich dazu auf dem zentralen Platz vor dem Rathaus versammelt, malten Plakate und Transparente für die am Samstag vorgesehene Großdemonstration und genossen die nach einigen Regentagen wieder hervorgekommene Sonne.

Viel Platz für Kreativität: Plakatemalen auf dem Augsburger Rath

Viel Platz für Kreativität: Plakatemalen auf dem Augsburger Rathausplatz

Als nach einigen Reden von Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaftsjugend, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und anderer Verbände vor allem Technorhythmen aus den Lautsprechern kamen, sah sich die Polizei schließlich veranlasst, die Veranstalter auf die Anordnungen der Stadt hinzuweisen. Die Organisatoren entschlossen sich daraufhin gegen 21 Uhr, die ursprünglich bis 22 Uhr angemeldete Kundgebung zu beenden. Ein Sprecher des Bündnisses sagte gegenüber junge Welt, die Beamten hätten die Vorgaben der Verwaltung umsetzen müssen und seien den Kundgebungsteilnehmern recht weit entgegen gekommen. Deshalb habe man schließlich die Aufforderung akzeptiert, keine Musik mehr zu spielen.

Werbung gegen den AfD-Parteitag am Freitag im Augsburger Univers

Werbung gegen den AfD-Parteitag am Freitag im Augsburger Universitätsviertel

Unterdessen stößt man in Augsburg an allen Ecken auf Polizeiposten. Nicht nur im Innenstadtbereich haben sich zahlreiche Fahrzeuge postiert, vor allem im Universitätsviertel sperren Uniformierte die Zufahrtswege ab, die zu den Messehallen führen könnten. Am Himmel kreist ein Hubschrauber, und einige Geschäfte haben auf Zetteln angekündigt, am Samstag geschlossen zu bleiben. Andere beziehen dagegen deutlich Stellung gegen die ungebetenen Gäste von der AfD. Ein Buchladen im Stadtzentrum hat sein Schaufenster mit Büchern dekoriert, die sich mit den Rechten und der AfD auseinandersetzen, im Eingang hängen Plakate gegen den Bundesparteitag. Auch Kneipen werben für die Aktionen am Samstag, und einige Clubs haben ihre Veranstaltungen am Freitag abend ebenfalls dem Protest gewidmet.

Mit Bertolt Brecht und junge Welt gegen die AfD: Buchladen in de

Mit Bertolt Brecht und junge Welt gegen die AfD: Buchladen in der Augsburger Innenstadt

Der Kongress der Rechtspartei ist in der Stadt seit Tagen das zentrale Thema. Die Polizei rechnet nach Angaben ihrer Sprecher mit einer insgesamt »möglicherweise fünfstelligen Zahl« an Teilnehmern, allein zur zentralen Veranstaltung »Zeich Dich AUX« ab 13 Uhr auf dem Rathausplatz werden zwischen 3.000 und 5.000 Menschen erwartet. Wie viele von ihnen sich zuvor ab 9 Uhr an den Messehallen oder ab 10 Uhr am Gewerkschaftshaus einfinden, um gegen die AfD zu demonstrieren, ist schwer einzuschätzen. Die in vielen Medien angeheizte Furcht vor »Randale« könnte manche Menschen davon abhalten, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen. Andere werden daran gehindert, gegen die AfD auf die Straße zu gehen. Das Augsburger Verwaltungsgericht bestätigte am Freitag in einem Eilverfahren ein von der Stadt Augsburg gegen eine 23jährige Stuttgarterin verhängtes Betretungsverbot. Die Richter begründeten dies mit einer »nachvollziehbaren polizeilichen Gefahrenprognose« gegen die junge Frau. Nach Informationen der »Roten Hilfe« wurde zudem bereits am Dienstag ein Augsburger in Gewahrsam genommen und soll bis Sonntag im Gefängnis bleiben.

Angeheizt wird die Stimmung in Augsburg auch dadurch, dass am Samstag ab 16 Uhr in der Kurzen Bahnhofstraße eine Kundgebung des »Pegida«-Bündnisses zugelassen wurde. Die Rassisten wollen dagegen demonstrieren, dass »Pseudogewerkschaften« gegen eine »demokratische Partei« mobilisieren. Es ist unwahrscheinlich, dass sie dies unwidersprochen tun können.

Erschienen am 30. Juni 2018 in der Onlineausgabe der Tageszeitung junge Welt