Zu Tode gefoltert

Die Anwälte hatten bis zuletzt versucht, die Hinrichtung von Joseph Wood zu stoppen. Mit einer Klage wollten sie verhindern, daß dem 55jährigen ein Giftcocktail gespritzt würde, dessen genaue Zusammensetzung von den Behörden geheimgehalten wurde. Am vergangenen Sonnabend hatten sie zunächst Erfolg, ein Berufungsgericht in Arizona warf dem Staat vor, die Rechte des Verurteilten zu verletzen. Dagegen klagte die Regierung des US-Bundesstaates vor dem Obersten Gerichtshof – und bekam wenige Stunden vor dem für Mittwoch (Ortszeit) angesetzten Termin recht – ohne Begründung.

 

Die Verteidiger des wegen Doppelmords verurteilten Wood waren alarmiert, weil zu den bekannten Bestandteilen des Giftcocktails Midazolam gehörte. Dieses Medikament war erstmals im vergangenen Januar bei der Exekution von Dennis McGuire als Betäubungsmittel eingesetzt worden. Er starb qualvoll, sein Todeskampf dauerte mehr als 20 Minuten. Noch länger litt im April Clayton Lockett, der erst nach 43 Minuten durch einen Herzinfarkt erlöst wurde.

Woods Verteidiger hatten nur zu recht mit ihrem Versuch, die Exekution zu stoppen. Ihr Klient starb erst zwei Stunden, nachdem ihm das Gift gespritzt worden war. Wie Zeugen der Hinrichtung der Washington Post berichteten, röchelte und schnaubte Wood und rang um Luft. »Ich war schon zuvor Zeuge einer Reihe von Hinrichtungen, aber so etwas habe ich noch nie erlebt«, erklärte Dale Baich, einer von Woods Verteidigern. »Keine Exekution, die ich beobachtet habe, hat je so lange gedauert.« Noch nachdem die Spritze gesetzt worden war, versuchten die Juristen, die Hinrichtung abbrechen zu lassen, weil Wood noch eine Stunde später bei Bewußtsein war. Zeugen zählten mehr als 600 Versuche, nach Luft zu schnappen.

Zuständige Beamte wiesen die Berichte zurück. Wood habe »geschnarcht«, behauptete die Sprecherin des Generalstaatsanwalts von Arizona, Stephanie Grisham. »Es gab kein Röcheln oder Schnauben, nichts davon. Er sah aus, als würde er schlafen«, behauptete sie. Auch Charles Ryan, der Direktor der Strafverfolgungsbehörde des US-Bundesstaates, beharrte gegenüber der Washington Post auf seiner Meinung, Wood habe während der Exekution »nicht gelitten«.

Die jüngste Serie von »Pannen« während der Hinrichtungen hat die Diskussion um das staatliche Töten in den USA erneut angefacht. In den vergangenen Jahren hatten die Vereinigten Staaten die für die Exekutionen benötigten Medikamente aus Europa importiert, doch Dänemark, Großbritannien und schließlich die EU-Kommission verhängten Exportbeschränkungen, um eine Unterstützung der Todesstrafe zu verhindern. Seither experimentieren die nordamerikanischen Behörden mit neuen Giftcocktails – und foltern ihre Gefangenen zu Tode.

In 18 der 50 Bundesstaaten wurde die Todesstrafe bislang abgeschafft – in sechs davon erst während der vergangenen sieben Jahre. In den übrigen 32 Staaten werden derzeit im Jahr durchschnittlich 44 Menschen getötet. Bei den meisten dieser Exekutionen wird die Giftspritze eingesetzt, in einigen Staaten sind aber auch der elektrische Stuhl, der Galgen, die Gaskammer oder Erschießungskommandos erlaubt. Die Unterstützung für das staatliche Morden sinkt seit Jahren: Hatten sich 1996 in Umfragen noch 78 Prozent der US-Amerikaner für die Todesstrafe ausgesprochen, sind es aktuell noch 55 Prozent.

Erschienen am 25. Juli 2014 in der Tageszeitung junge Welt