Yankees raus

Venezuela und die USA haben ihre letzten diplomatischen Verbindungen abgebrochen. US-Außenminister Michael Pompeo teilte am Montag abend (Ortszeit) über Twitter mit, dass das in der Botschaft der Vereinigten Staaten in Caracas verbliebene Personal im Laufe der Woche abgezogen werde. Er begründete das mit der »sich verschlechternden Situation« in dem südamerikanischen Land. Außerdem sei die Anwesenheit nordamerikanischer Diplomaten in der venezolanischen Hauptstadt zu einem »Hindernis für die US-Politik geworden«.

Eine ganz freie Entscheidung war das jedoch offenbar nicht. Wie Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza sagte, war dem US-amerikanischen Vertreter in Caracas, James Story, zuvor bereits mitgeteilt worden, dass er mit seinen Kollegen das Land zu verlassen habe. Ein entsprechendes Kommuniqué der venezolanischen Regierung wurde am Dienstag morgen veröffentlicht. Unter Verweis auf Äußerungen hochrangiger Vertreter der US-Administration, die mit der »Sicherheit der Diplomaten« eine mögliche Militäraggression gegen Venezuela begründet hatten, heißt es darin, dass der Verbleib der Beamten in Caracas »Frieden, Integrität und Stabilität des Landes« gefährden würde.

Venezuela hatte Ende Januar die diplomatischen Beziehungen zu den USA abgebrochen, nachdem Washington den selbsternannten »Übergangspräsidenten« Juan Guaidó als Staatschef anerkannt hatte. Seither hatten beide Seiten über die Einrichtung von Interessenvertretungen verhandelt. Diese seien ergebnislos verlaufen, teilte die venezolanische Regierung nun mit.

Unterdessen hat Venezuelas Informationsminister Jorge Rodríguez am Dienstag abend mitgeteilt, dass die Stromversorgung in weiten Teilen des Landes wiederhergestellt werden konnte. Gegenüber junge Welt bestätigten Menschen in verschiedenen Teilen des Landes diesen Eindruck. Auch eine Reihe von Internetseiten, die offenbar wegen Serverausfällen offline gegangen waren, gingen wieder ans Netz. Einer offiziellen Aufstellung zufolge lag die Abdeckung in Caracas am Dienstag bei 90 Prozent, mehrere Bundesstaaten im Osten des Landes meldeten eine vollständige Normalisierung der Versorgung. Dagegen meldeten mehrere Regionen im Westen, nahe der Grenze zu Kolumbien, dass es noch große Lücken in der Stromversorgung gebe.

Problematisch ist auch noch die Trinkwasserversorgung. Venezuelas Behörden bemühen sich, mit Tankwagen eine Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Am vergangenen Donnerstag war das zentrale Kraftwerk am Guri-Stausee ausgefallen, von dem rund 80 Prozent der landesweiten Stromversorgung abhängen. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro sagte am Montag abend in einer über alle Fernsehsender des Landes ausgestrahlten Ansprache, dass es sich um eine mehrstufige Aggression gehandelt habe. Zunächst habe es einen aus dem Ausland durchgeführten Cyberangriff auf die weitgehend automatisierte Steuerzentralen des Kraftwerks und in Caracas gegeben. Anschließend sei es zu einer mit mobilen Anlagen durchgeführten »elektromagnetischen Attacke« gekommen, die die sofort eingeleiteten Reparaturmaßnahmen gestört hätten. Schließlich seien in mehreren Landesteilen Umspannwerke gesprengt oder in Brand gesetzt worden. Zwei Verdächtige seien auf frischer Tat ertappt worden, als sie versuchten, das Kommunikationssystem am Guri-Kraftwerk zu sabotieren. Venezuela sei als erstes Land der Welt Opfer einer derartigen Kriegführung geworden, erklärte Maduro. Nur die USA seien in der Lage, eine solche Aggression durchzuführen.

Auch die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) geht von einer »brutalen Aggression des Imperialismus gegen das Volk Venezuelas« aus, wie Politbüromitglied Yul Jabour am Montag (Ortszeit) bei der wöchentlichen Pressekonferenz der Organisation in Caracas sagte. Er verglich den Cyberangriff auf das Stromsystem Venezuelas mit der 2010 von den USA gegen die iranische Energieversorgung durchgeführte Stuxnet-Attacke.

Washington weist die Anschuldigungen Maduros zurück, und auch die venezolanische Opposition macht jahrelange Misswirtschaft für die Situation verantwortlich. Guaidó rief seine Anhänger für Dienstag nachmittag ein weiteres Mal zu landesweiten Protesten auf. Erneut stieß sein Appell offenbar nur auf ein geringes Echo. Während die Deutsche Presseagentur von »Tausenden« Demonstranten sprach, zeigte der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur leere Straßen.

Erschienen am 13. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt