Wirtschaftskrieg beenden

Seit dem 1. September ist die frühere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet neue UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. Ihren ersten großen Auftritt hatte sie am Montag in Genf, als sie die Tagung des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen leitete und den Bericht ihres Amtsvorgängers Seid Al-Hussein offiziell vorlegte. Der Jordanier – ein Mitglied der haschemitischen Königsfamilie – war in seiner Amtszeit durch scharfe Angriffe auf die Regierung Venezuelas aufgefallen, worauf Caracas nicht weniger kräftig reagierte. So bezeichnete Präsident Nicolás Maduro Al-Hussein während einer Rede im März als »Aktivisten der faschistischen Rechten« und verglich ihn mit einem »Tumor«, der im Auftrag der USA die Vereinten Nationen von innen zerstören solle. Auch den im Juni bekanntgewordenen Bericht des UN-Funktionärs wies Caracas als technisch mangelhaft und voreingenommen zurück. Al-Hussein habe erneut gezeigt, dass er ein »Komplize der vielfältigen Aggression gegen Venezuela« sei, weil er die von den USA und der Europäischen Union gegen das Land verhängten Blockademaßnahmen nicht erwähnt habe.

Bachelet ging in ihrer Rede auf diese Auseinandersetzung nicht ein, wies aber darauf hin, dass auch nach dem Abschluss des Berichts weitere Informationen über die Verletzung der sozialen und wirtschaftlichen Rechte in Venezuela sowie über Todesfälle durch Unterernährung und behandelbare Krankheiten eingegangen seien.

Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza wies in seiner Rede auf die Erkenntnisse des unabhängigen Experten Alfred de Zayas hin, der Ende vergangenen Jahres im Auftrag der Vereinten Nationen das Land bereist hatte. Sein Bericht, der erst am Montag veröffentlicht wurde, macht neben Faktoren wie der anhaltenden Abhängigkeit vom Erdölexport vor allem die Sanktionen der USA und der Europäischen Union für die Lage in Venezuela verantwortlich. Offen spricht er von einem seit 19 Jahren »gegen das sozialistische Regime geführten Wirtschaftskrieg«, der vergleichbar sei mit dem Vorgehen gegen die Regierung des chilenischen Präsidenten Salvador Allende in den Jahren 1970 bis 1973. Die Lösung der venezolanischen Krise müsse sich auf »Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition, ein Ende des Wirtschaftskrieges und die Aufhebung der Sanktionen« stützen, verlangte der UN-Experte.

Arreaza kritisierte den Begriff »Sanktionen«, denn es handle sich nicht um Strafmaßnahmen, sondern um völkerrechtswidrige Erpressungsversuche, durch die ein Regierungswechsel erzwungen werden solle. Er verwies auf die Enthüllungen der New York Post, die am Sonnabend über Kontakte zwischen Vertretern der US-Administration und venezolanischen Putschisten berichtet hatte. Wie das Blatt schreibt, hat das Weiße Haus die Gespräche mit den »Rebellen« Ende vergangenen und Anfang diesen Jahres damit begründet, dass man mit allen Venezolanern habe sprechen wollen, »die den Wunsch äußern, die Demokratie wiederherzustellen«. Nach Angaben der New York Times war einer dieser »Demokraten« jedoch ein ehemaliger Befehlshaber der venezolanischen Sicherheitskräfte – gegen den die US-Administration Sanktionen wegen »Korruption« und »Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen« erlassen hat. Den Namen dieses Offiziers nennt die New York Times nicht, es könnte sich aber um Venezuelas früheren Innenminister Miguel Rodríguez Torres handeln, der im März wegen seiner mutmaßlichen Verwicklung in Umsturzvorbereitungen verhaftet wurde.

Wie die US-Tageszeitung weiter schreibt, hätten die Abgesandten Washingtons letztlich entschieden, die Verschwörer nicht zu unterstützen. Diese hatten unter anderem um Geräte für verschlüsselte Funkkommunikation gebeten. Die Nordamerikaner hätten jedoch den Eindruck gehabt, dass die konkrete Planung des Staatsstreichs durch die »Rebellen« nicht ausreichend gewesen sei. Letztlich scheiterten die Putschvorbereitungen dem Bericht zufolge durch eine Polizeiaktion der venezolanischen Sicherheitskräfte, die mehrere Dutzend der Verschwörer inhaftiert hätten.

Erschienen am 12. September 2018 in der Tageszeitung junge Welt