junge Welt, 23. Oktober 2014

»Wie in Odessa«

junge Welt, 23. Oktober 2014In Caracas ist am Dienstag (Ortszeit) die Zentrale der Kommunistischen Jugend Venezuelas (JCV) von bislang unbekannten Tätern mit Brandsätzen attackiert worden. Das Gebäude brannte nahezu vollständig aus, Möbel und Inventar, so eine kleine Druckmaschine, fielen den Flammen zum Opfer. Zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich sieben Menschen in dem Haus auf: fünf JCV-Mitglieder, die gerade Material für eine Werbeaktion erstellten, und zwei ältere Mitglieder der Kommunistischen Partei (PCV), einer von ihnen 80 Jahre alt.

 

Wie die PCV in einer offiziellen Stellungnahme mitteilte, gelang es den Betroffenen, sich vor dem Feuer zu schützen und das Gebäude gegen eine Erstürmung durch die Angreifer zu verteidigen, bis Polizei und Feuerwehr am Ort des Geschehens eintrafen. Die Opfer wurden ärztlich versorgt und befanden sich am Mittwoch außer Gefahr. Der Regierungschef des Hauptstadtdistrikts Caracas, Ernesto Villegas, machte über den Internetdienst Twitter »eine zutiefst antikommunistische und antinationale Rechte« für den Anschlag verantwortlich und sagte den Betroffenen zu, Mittel für die Instandsetzung der Verbandszentrale zur Verfügung zu stellen. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro habe eine eingehende Untersuchung angeordnet, um die Schuldigen dingfest zu machen, so Villegas, der auch Vizechef der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) ist. »Wir sind uns sicher, dass dieser Vorfall eine weitere in der langen Liste von Aggressionen ist, die der Faschismus in der Geschichte gegen die venezolanischen Kommunisten unternommen hat«, erklärte der Politiker, zeigte sich zugleich aber überzeugt, dass der Anschlag nur zur Folge haben werde, dass die PCV ihre »Verbundenheit mit den revolutionären Ideen und Praktiken weiter verstärkt«.

Der internationale Sekretär der Kommunistischen Partei, Carolus Wimmer, der auch Abgeordneter des Lateinamerikanischen Parlaments ist, verglich die Ereignisse mit dem Angriff ukrainischer Faschisten auf das Gewerkschaftshaus in Odessa. Am 2. Mai waren dort offiziellen Angaben zufolge mehr als 40 Menschen getötet worden, als Anhänger des in Kiew an die Macht geputschten Regimes das Gebäude in Brand setzten.

Der Angriff auf die JCV-Zentrale am Dienstag habe »kein anderes Ziel, als Schrecken zu verbreiten und zu versuchen, die kämpferische revolutionäre Studentenbewegung Venezuelas zu lähmen«, erklärte der Jugendverband in einer Stellungnahme, aus der die staatliche Nachrichtenagentur AVN am Mittwoch zitierte. Verantwortlich für den Anschlag seien »Söldner und paramilitärische Gruppen im Dienste der proimperialistischen extremen Rechten«, die bereits in den vergangenen Monaten eine Gewaltwelle provoziert hätten, so die nationale Sekretärin der JCV, Hanoi Rosas.

Erst am 1. Oktober war in Caracas der junge Parlamentsabgeordnete Robert Serra zusammen mit seiner Partnerin ermordet worden. Nach Aussagen von Tatbeteiligten, die Tage nach dem Verbrechen gefasst werden konnten und geständig sind, war dieses Verbrechen im Auftrag von Paramilitärs aus Kolumbien verübt worden (jW berichtete). Ernesto Villegas sieht auch einen direkten Zusammenhang zwischen Serras Tod und dem Anschlag auf die JCV. Offensichtlich wüssten die Regierungsgegner keinen anderen Ausweg mehr als den »feigen Angriff auf unsere Jugendlichen«, so der Politiker.

Erschienen am 23. Oktober 2014 in der Tageszeitung junge Welt