Weihnachten frei

Chiles Präsident Sebastián Piñera hat den seit 22 Tagen in einer eingestürzten Mine im nordchilenischen Copiapo eingeschlossenen Bergleuten zugesichert, daß sie Weihnachten wieder mit ihren Familien zusammen feiern können. Nachdem die 33 Verschütteten am Sonntag entdeckt worden waren, konnte am Dienstag erstmals eine Telefonverbindung zu ihnen hergestellt werden. Seit dem Einsturz eines Stollens am 5. August waren die Bergleute in einem Sicherheitsraum vollständig von der Außenwelt abgeschottet gewesen. Sie organisierten sich in wechselnden Wachen, um sich vor möglichen weiteren Einstürzen zu schützen, und teilten den ihnen zugänglichen Bereich in verschiedene Zonen auf, die zum Aufenthalt, zur Lagerung der Lebensmittel und als Toilette dienten. Um mit den verfügbaren Lebensmitteln möglichst lange aushalten zu können, hatten die 33 Bergleute nur alle 48 Stunden zwei Löffel Thunfisch, ein kleines Glas Milch und einen halben Keks zu sich genommen, wie sie dem Staatschef während des kurzen Telefonats berichteten. Nun sollen sie von oben mit Aufbaunahrung versorgt werden. Die endgültige Rettung der Verschütteten gestaltet sich jedoch schwierig. Experten rechnen damit, daß für den Bau eines ausreichend großen und stabilen Tunnels, durch den die Männer befreit werden können, rund vier Monate benötigt werden.

Zugleich wächst die Kritik an den Betreibern der Gold- und Kupfermine, die bereits im Jahr 2007 geschlossen worden war, nachdem dort ein Bergmann bei einem Unfall ums Leben kam. Ein Jahr später war das Bergwerk wieder eröffnet worden, nachdem die Besitzer den Behörden zugesichert hatten, in den Lüftungsschächten der Mine Leitern anzubringen, die als Notausgänge dienen können. Diese Auflage wurde jedoch nicht erfüllt, was den Kumpeln jetzt zum Verhängnis wurde.

Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chiles, Lautaro Carmona, der als Vertreter der Bergbauregion Copiapo dem chilenischen Parlament angehört, begrüßte den hergestellten Kontakt mit den Verschütteten. »Diese Nachricht sollte uns zum Nachdenken über die Notwendigkeit bringen, alle Bergbaugesetze in unserem Land zu korrigieren, damit sich eine solche Situation wie diese, die durch die Verantwortungslosigkeit der Unternehmer und die Schwäche der Arbeitsschutznormen verursacht worden ist, niemals wiederholen kann«, so Carmona. Die näherrückende Rettung der Bergleute sei auch den Familienangehörigen zu danken, die nie aufgegeben hätten. Tatsächlich hatten die Behörden die Suche nach den Verschütteten bereits zweimal einstellen wollen, waren daran aber durch den wütenden Protest der Angehörigen gehindert worden, die vom Tag des Unglücks an am Eingang der Mine ausharrten.

Das Drama in Chile hat die Aufmerksamkeit auch auf die Lage der Bergarbeiter in anderen Ländern Lateinamerikas gelenkt. In Kolumbien hat die dortige Bergarbeitergewerkschaft Proteste im nordwestlichen Departamento Antioquia angekündigt, um gegen das fahrlässige Verhalten des kanadischen Unternehmens Frontino Gold Mines zu protestieren. Gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur wies Gewerkschafter Dairo Alberto Rúa vor allem auf die Situation an der Mine El Silencio hin, die mit 158 Jahren eines der ältesten noch in Betrieb befindlichen Bergwerke des Kontinents ist. Es sei unverantwortlich, wie die kolumbianische Regierung und die zuständige Aufsichtsbehörde die fortgesetzte Ausbeutung der mehr als 40 Stockwerke tiefen Mine zulasse, so Rúa. So werde als Sprengstoff ANFO benutzt, der aber aus Sicherheitsgründen nur im Tagebau eingesetzt werden sollte. Bereits in der Vergangenheit habe es zahlreiche Unfälle gegeben, bei denen viele Arbeiter verletzt wurden. Wenn die Arbeiten dort in dieser unverantwortlichen Weise fortgesetzt würden, stehe eine Katastrophe bevor, warnte der Gewerkschafter.

Erschienen am 26. August 2010 in der Tageszeitung junge Welt