Wahrsager des Tages: Klaus Bodemer

Immer nur die üblichen Pressemitteilungen der venezolanischen Opposition als Tickermeldung zu verbreiten, das ist auf Dauer langweilig. Die Nachrichtenagentur AFP versuchte am Dienstag, zur Abwechslung mal was Hintergründiges über Venezuela zu berichten. Dazu interviewte man Klaus Bodemer, seines Zeichens früherer Leiter des Instituts für Lateinamerika-Kunde beim ­GIGA, dem German Institute of Global and Area Studies, in Hamburg.

Die Gewalt in Venezuela drohe »weiter zu eskalieren«, zitierte die Agentur den Politikwissenschaftler. »Es rumort im Militär«, unkte er. »Es ist zu befürchten, dass die Lage völlig außer Kontrolle gerät und dass dann das Militär eingreift. Wir sind nah dran am Bürgerkrieg.« Die Zeit des venezolanischen Präsidenten sei abgelaufen: »Ich glaube nicht, dass sich Maduro noch lange halten kann.«

Man kann es auch anders formulieren, zum Beispiel so: »Die losgetretene Gewalt droht sich zu verselbständigen.« Oder so: »Fraglich ist auch, ob Maduro auf Dauer das Militär hinter sich hat.« Das stammt ebenfalls von Bodemer, aber aus einem Interview, das er im Februar 2014 (!) für tagesschau.de gegeben hat. Gut zwei Jahre später, am 5. Juli 2016, zitierte das Onlinemagazin Pflichtlektüre Bodemer unter der Überschrift »Venezuela versinkt im Chaos« mit den Worten »Kollabiert das System weiter, kann das soziale Revolten bis zu einem Bürgerkrieg auslösen. Ein Chaos mit etlichen Toten würde ausbrechen.«

Der Politikwissenschaftler steht also immer parat, wenn es darum geht, den Untergang Venezuelas zu beschwören – und stellt dabei auch gleich noch die »Repression« Maduros gegen die »Pragmatik« von dessen Amtsvorgänger Hugo Chávez. Wie schön, dass man dann die Überfälle von Regierungsgegnern auf Bibliotheken, Arztstationen und Behörden als Unmutsäußerungen abtun kann. Oder, wie es AFP am Dienstag formulierte: »Für Mittwoch hat die Opposition erneut zu landesweiten Protesten aufgerufen.«

Erschienen am 19. April 2017 in der Tageszeitung junge Welt