Wahlkampfauftakt am Jahrestag

Am Sonnabend will Venezuelas Präsident Hugo Chávez offiziell seinen Wahlkampf um die Bestätigung im höchsten Staatsamt des südamerikanischen Landes eröffnen. Das Datum ist nicht zufällig gewählt: Es ist der 20. Jahrestag der von Chávez geführten Militärrebellion vom 4. Februar 1992, mit der Venezuelas korrupter Staatschef Carlos Andrés Pérez gestürzt werden sollte. Zwar gelang es den aufständischen Militärs damals, in mehreren Städten die Kontrolle zu übernehmen, doch scheiterten sie in der Hauptstadt Caracas. Vor allem mißlang der Versuch, den Staatschef gefangenzunehmen. Als klar war, daß der Aufstand gescheitert war, übernahm Chávez persönlich die Verantwortung und rief in einer kurzen Fernsehansprache seine Mitstreiter zum Niederlegen der Waffen auf. Auslöser für den Putschversuch der »Revolutionären Bolivarischen Bewegung« (MBR-200) war die gewaltsame Niederschlagung einer Volksrebellion drei Jahre zuvor, bei der Schätzungen zufolge mehrere tausend Menschen von Militär und Polizei getötet worden waren. Deshalb waren die Rebellen in der Bevölkerung durchaus populär, und Chávez wurde zu einer Symbolfigur. Fast auf den Tag genau sieben Jahre später konnte er am 2. Februar 1999 nach dem Wahlsieg seines »Patriotischen Pols« dann legal das Präsidentenamt übernehmen.

»Alles was heute in unserem Land passiert, trägt das Siegel des 4. Februar 1992«, sagte Chávez deshalb Ende Januar im Gespräch mit dem bekannten Fernsehjournalisten José Vicente Rangel, der selbst mehrere Jahre Vizepräsident des Landes war. Der »4-F« sei eine wirkliche Revolution gewesen, »die letzte des 20. Jahrhunderts«, so Chávez. Das habe sich bewiesen, als er am Tag seines Amtsantritts 1999 den Eid auf die »todgeweihte Verfassung« Venezuelas ablegte und unmittelbar darauf ein Dekret zur Durchführung einer Volksabstimmung unterzeichnete, mit der eine verfassunggebende Versammlung einberufen werden sollte. Bereits 1992 war das die Hauptforderung der Aufständischen gewesen. In der Zeit zwischen der Präsidentschaftswahl am 6. Dezember 1998 bis zum Tag der offiziellen Amtseinführung hätten unzählige Vertreter des Oberkommandos der Streitkräfte, der Großbourgeoisie »und als erster der Yankee-Botschafter«, der ihn ins Weiße Haus eingeladen habe, Druck ausgeübt, nicht den versprochenen Weg zu gehen. Es sei der erste große Sieg der Bolivarischen Revolution gewesen, sich der eigenen Verpflichtung bewußt geblieben zu sein und den angekündigten Kurs tatsächlich eingeschlagen zu haben.

Wie damals würden ihn die extreme Rechte des eigenen Landes und der nordamerikanische Imperialismus auch heute noch unterschätzen, wenn sie auf seinen Gesundheitszustand spekulierten, so Chávez gegenüber Rangel. Die venezolanische Opposition bestehe aus drei Strömungen: »Eine denkt politisch, eine denkt ökonomisch und eine dritte denkt gar nicht.« Er forderte die Regierungsgegner auf, das Ergebnis der für den 7. Oktober geplanten Präsidentschaftswahl anzuerkennen und sich an die Regeln der Demokratie zu halten. Auch dafür hat der Präsident einen guten Grund, jährt sich im April doch zum zehnten Mal der Putschversuch der rechten Opposition, der durch einen spontanen Volksaufstand vereitelt werden konnte.

Uninteressiert zeigte sich Chávez an den Ende Februar stattfindenden Vorwahlen, mit denen die Opposition ihren Herausforderer nominieren will. Bei diesen gelten die Gouverneure der Bundesstaaten Miranda, Henrique Capriles, und Zulia, Pablo Pérez, als Favoriten. Dem Amtsinhaber ist das egal: »Für mich sind sie alle gleich, sie stehen für dieselben Interessen und repräsentieren die ranzigste und radikalste Bourgeoisie.

Erschienen am 4. Februar 2012 in der Tageszeitung junge Welt