Vier Planeten

Wieder einmal wurde viel geredet und viel versprochen – konkrete Ergebnisse hat der UN-Klimagipfel am Dienstag (Ortszeit) in New York erwartungsgemäß jedoch nicht gebracht. Angela Merkel, die sich einst als »Klimakanzlerin« hatte feiern lassen, glänzte im Gegensatz zu rund 100 anderen Staats- und Regierungs­chefs durch Abwesenheit. An ihrer Stelle sonnte sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in dem guten Ruf, den Deutschland in ökologischen Fragen ungerechtfertigt genießt. Konkrete Aussagen hatte sie nicht im Gepäck. Die Bundesrepublik werde am Ziel festhalten, bis 2020 den Ausstoß von Treib­hausgasen gegenüber dem Stand von 1990 um 40 Prozent zu senken. Außerdem verwies sie stolz darauf, daß das Bundeskabinett in der vergangenen Woche den Ratifizierungsprozeß für das schon 2012 beschlossene »Kyoto II«-Protokoll in Angriff genommen habe.

 

Klartext redeten dagegen mehrere Staatschefs aus Lateinamerika. So warnte Boliviens Präsident Evo Morales vor der »Verletzung des Lebensrechts der Mutter Erde«. Wenn die »Konsumgier des Kapitalismus« nicht eingeschränkt werde, »brauchen wir im Jahr 2050 vier Planeten«, um alle Ansprüche erfüllen zu können. »Es ist bedauerlich«, so Morales weiter, »daß das Thema der Märkte und der Preise für CO2-Emissionszertifikate auf der Agenda dieses großen Gipfeltreffens über den Klimawandel einen zentralen Platz einnehmen. Einige Länder versuchen, aus dem Klimaschutz eine Gelegenheit für Geschäfte zu machen.« Man müsse aber zu »realen und verantwortungsvollen Lösungen« kommen. Dazu gehöre neben einer Reduzierung der Gasemissionen vor allem eine »Veränderung der Entwicklungsmodelle, die auf Konsum, Kapital und Markt orientiert sind«.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro erinnerte daran, daß seit dem großen Klimagipfel in Kopenhagen, an dem er als Außenminister den damaligen Staatschef Hugo Chávez begleitet hatte, fünf Jahre vergangen sind, ohne daß es substantielle Fortschritte gegeben habe. Der Klimawandel bedrohe den Planeten mit globaler Zerstörung und der Vernichtung des menschlichen Lebens – »und noch immer sehen wir kein Licht am Ende des Tunnels«. 20 Prozent der reichsten Länder der Welt verbrauchen derzeit weltweit 84 Prozent der Energie, verschmutzen die Erde und zerstören ihr Gleichgewicht. Dafür sei das herrschende Wirtschaftssystem verantwortlich: »Der Kapitalismus hat über Jahrzehnte ignoriert, wieviel die Natur ertragen kann. Unter der Logik des Kapitalismus ist Wirtschaftswachstum unvereinbar mit dem Überleben des Planeten.«

Maduro erinnerte zudem an den Umweltgipfel der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro, bei dem sowohl der damalige US-Präsident George Bush als auch der kubanische Staatschef Fidel Castro auftraten. Während Bush damals auf Forderungen nach konkreten Maßnahmen gegen die Umweltzerstörung wörtlich erklärt habem »unser Lebensstil ist nicht verhandelbar«, habe Castro ausdrücklich vor dem drohenden Aussterben der menschlichen Gattung gewarnt. 22 Jahre später habe sich das Problem noch weiter verschärft, »und wenn es gestern schon spät war, wird es bald zu spät sein«. Venezuela bekräftige seine Verpflichtung zu einer nachhaltigen ökologischen Entwicklung, so Maduro. Bereits jetzt beziehe sein Land 70 Prozent seiner Energie aus Wasserkraft, 60 Prozent des Staatsgebiets stünden in der einen oder anderen Weise unter Naturschutz. Durch die Nichtabholzung der Wälder würden mehr als zwölf Milliarden Tonnen CO2 eingespart. An die Großmächte gerichtet fragte der venezolanische Präsident: »Wie lange noch sollen uns kapitalistische Lösungen innerhalb dieses alten, zerstörerischen Systems angeboten werden, um Probleme zu bewältigen, die es in den vergangenen 100 Jahren selbst geschaffen hat?«

Erschienen am 25. September 2014 in der Tageszeitung junge Welt