Venezuela ohne Strom

Ein Stromausfall hat am Donnerstag und Freitag weite Teile Venezuelas für Stunden lahmgelegt. Insbesondere in der Hauptstadt Caracas brach Chaos aus, als die Energieversorgung ab 17 Uhr Ortszeit zusammenbrach. Da die Metro ihren Betrieb einstellte und Busse völlig überfüllt waren, machten sich Tausende auf teils stundenlange Fußmärsche nach Hause. Die Behörden riefen die Menschen auf, zu Hause zu bleiben oder an ihren Arbeitsstätten auszuharren, bis die Stromversorgung wiederhergestellt worden sei.

Bis zum Freitag vormittag (Ortszeit) konnte der Stromausfall nicht behoben werden. Vizepräsidentin Delcy Rodríguez ordnete deshalb an, dass der Freitag arbeitsfrei sei, Schulen und Universitäten sollten geschlossen bleiben.

In einer ersten Stellungnahme machte das staatliche Stromversorgungsunternehmen Corpoelec Sabotage des zentralen Kraftwerks am Guri-Stausee verantwortlich. Informationsminister Jorge Rodríguez sprach in einer Fernsehansprache gegen 20 Uhr Ortszeit von einem »Stromkrieg«. Es habe sich sowohl um eine Beschädigung der technischen Infrastruktur als auch um einen Cyberangriff auf die digitale Infrastruktur der Stromversorgung gehandelt. Rodríguez beschuldigte direkt den US-amerikanischen Senator Marco Rubio, in das Attentat verwickelt zu sein.

Viele Menschen in Venezuela nahmen die offizielle Erklärung skeptisch auf, denn Stromausfälle gibt es in dem südamerikanischen Land häufig, und immer wieder hatten die Behörden dafür Sabotage verantwortlich gemacht, ohne spürbare Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Im vergangenen November hatte die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) die Entlassung von Energieminister Luis Motta Domínguez gefordert, weil sich unter diesem die Probleme verschärft hätten. Die Partei, die die Regierung von Präsident Nicolás Maduro unterstützt, machte fehlende Investitionen in die Infrastruktur und andere Fehler des Managements für die Situation verantwortlich. Zudem kritisierte sie, dass die Rechte der Corpoelec-Arbeiter systematisch missachtet würden.

Der von der venezolanischen Regierung ausgewiesene deutsche Botschafter Daniel Kriener hat sich am Donnerstag von dem Oppositionspolitiker Juan Guaidó verabschiedet. Er versicherte, dass die Vertretung der Bundesrepublik in seiner Abwesenheit geöffnet bleibe, die Amtsgeschäfte würden von Geschäftsträgerin Daniela Vogl übernommen. Über eine Anerkennung des von Guaidó zu seinem Vertreter in Berlin ernannten Otto Gebauer ist im Auswärtigen Amt offenbar noch nicht entschieden worden. Es sei die Bitte eingegangen, ihn »als Vertreter des Interimspräsidenten Juan Guaidó wahrzunehmen. Wir beabsichtigen, mit Herrn Gebauer in Kontakt zu treten«, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Donnerstag. Gebauer war 2002 als Militär direkt in den Putschversuch gegen Hugo Chávez verwickelt und gehörte dem Kommando an, das den damaligen Präsidenten auf die Insel La Orchila verschleppte.

Erschienen am 8. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt